Die Belgier um Kevin De Bruyne (v.) verloren gegen Marokko. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bruno Fahy/BELGA/dpa)

Nach der ersten WM-Vorrundenniederlage seit 28 Jahren schauten Belgiens hochgelobte Star-Kicker den völlig losgelösten Marokkanern entgeistert beim Jubeln zu.

Der WM-Dritte von 2018 ist bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar nur noch ein Schatten vergangener Turniere und muss nach einem erneut enttäuschenden Auftritt beim 0:2 (0:0) gegen den Außenseiter sogar um den Einzug ins Achtelfinale bangen.

Anders als noch bei ihrem schmeichelhaften Auftaktsieg gegen Kanada wurden die Belgier, die zuvor letztmals 1994 beim 0:1 gegen Saudi-Arabien eine Niederlage in der WM-Gruppenphase kassiert hatten, diesmal für eine träge und uninspirierte Vorstellung auch bestraft. Ein Freistoßtor des ehemaligen deutschen U21-Nationalspielers Abdelhamid Sabiri in der 73. Minute und ein später Treffer von Zakaria Aboukhlal (90.+2) besiegelten die Pleite des Turniermitfavoriten und bescherten den Nordafrikanern den erst dritten Sieg bei einer WM-Endrunde.

«Wir hatten heute die Chance, uns für das Achtelfinale zu qualifizieren. Aber so ist Fußball, so ist das Leben. Wir sind alle Profis, wir werden das jetzt analysieren. Und dann beginnt die Vorbereitung auf das Kroatien-Spiel», sagte Belgiens Mittelfeldspieler Amadou Onana.

Marokko vor Achtelfinaleinzug

Der Vize-Weltmeister ist am kommenden Donnerstag letzter Vorrundengegner der Belgier, die in der Tabelle der Gruppe F mit drei Punkten hinter Marokko (4) zurückfielen. Die sehr engagierten und taktisch weitaus disziplinierteren Nordafrikaner haben es nun in der eigenen Hand, zum ersten Mal nach 36 Jahren wieder ein WM-Achtelfinale zu erreichen.

«Das Spiel war unglaublich. Wir haben als Team gewonnen, als Team verteidigt, als Team gekämpft. Das ist ein guter Tag für alle Marokkaner überall auf der Welt», frohlockte Bayern-Profi Noussair Mazraoui, der nach seiner Hüftverletzung aus dem ersten Spiel (0:0 gegen Kroatien) rechtzeitig wieder fit wurde.

Dafür mussten die Marokkaner auf ihren starken Torwart Yassine Bounou verzichten. Die Nummer eins des FC Sevilla stand zunächst zwar noch auf dem Aufstellungsbogen und sang auf dem Rasen sogar noch die Nationalhymne mit, musste dann aber kurzfristig passen. Das fiel jedoch nicht ins Gewicht, zumal die zahlreichen Fans wieder der Zwölfte Mann waren. Mehr als zwei Drittel der 43 738 Zuschauer im Al Thumama Stadion im Südosten von Doha unterstützten die Marokkaner in einer teils ohrenbetäubenden Lautstärke.

Europäischer Spielstil

Marokkos Trainer Walid Regragui hatte vor dem Spiel noch gefordert, alle afrikanischen Mannschaften müssten deutlich europäischer und damit ergebnisorientierter spielen, um bei einer Weltmeisterschaft Erfolg zu haben. Und sein Team folgte dieser Strategie auch gegen die Belgier.

Nur in den ersten 20 Minuten sah es so aus, als ließen sie den immer noch prominenten, aber spürbar in die Jahre gekommenen Offensivstars wie Eden Hazard und Kevin De Bruyne etwas zu viel Raum. Doch danach wurden die Marokkaner immer mutiger, ohne ihre defensive Ordnung aufzugeben.

Der ehemalige Dortmunder Achraf Hakimi (Paris Saint-Germain) gab in der 35. Minute einen ersten Warnschuss ab. Und nach einem Freistoß des zweiten großes Stars Hakim Ziyech (FC Chelsea) landete der Ball in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit sogar im Tor. Doch nach einem Einsatz des Videobeweises zählte der Treffer nicht, weil Abwehrspieler Romain Saiss im Abseits gestanden hatte.

Den Belgiern fehlte das Tempo, um eine vergleichbare Gefahr zu erzeugen. Der ehemalige HSV-Profi Onana enttäuschte als Neubesetzung im zentralen Mittelfeld genauso wie der Dortmunder Thomas Meunier auf der rechten Seite. Und Eden Hazard kam im Dribbling kaum einmal an Hakimi oder Mazraoui vorbei. So jubelte am Ende völlig verdient Marokko.

Carsten Lappe, Sebastian Stiekel und Jan Kuhlmann, dpa

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