So deutlich hat sich wohl noch kein britischer Royal zur Verantwortung der eigenen Vorfahren bekannt: Prinz Harry (38) hat in der neuen Netflix-Dokuserie «Harry & Meghan» den Umgang des Königshauses mit Kolonialismus und Sklaverei kritisiert und dessen Beziehung zu den Boulevardmedien infrage gestellt. «In dieser Familie ist man manchmal mehr Teil des Problems als Teil der Lösung», sagte der 38-Jährige in der dritten Folge der insgesamt sechsteiligen Dokumentation, die ein Schlaglicht auf die Ausbeutung von Menschen in den früheren britischen Kolonien und die Verstrickung der Königsfamilie wirft.
Neuer Streit mit der Familie deutet sich an
In den drei am Donnerstag veröffentlichten Folgen erzählen Harry und Meghan die Geschichte ihrer Beziehung sowie des Bruchs mit der Königsfamilie und Meghans Vater aus ihrer eigenen Perspektive. Angereichert sind die Interviewausschnitte mit privaten Handyaufnahmen aus dem Familienleben, Äußerungen von Weggefährten und Experten sowie TV-Aufnahmen von royalen Events.
Bereits wenige Stunden nach dem Erscheinen deutet sich neuer Streit mit dem Königshaus an: Die britische Nachrichtenagentur PA meldete unter Berufung auf royale Kreise, weder der Palast noch einzelne Mitglieder der Royal Family seien angefragt worden. Ein Hinweis bei Netflix suggeriert das Gegenteil: «Mitglieder der Königlichen Familie wollten die Inhalte dieser Serie nicht kommentieren», heißt es ganz zu Beginn der ersten Folge in weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund.
Aussage steht gegen Aussage – für den Monarchie-Experten Craig Prescott von der walisischen Universität Bangor ein Zeichen dafür, wie schlecht die Kommunikation zwischen Harry und Meghan und der Institution mittlerweile funktioniert. «Das ist wirklich merkwürdig», sagt Prescott im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Vom Boulevard verfolgt
Viel Raum in der Doku bekommt erneut die aus Sicht des Paares unerträgliche Verfolgung durch britische Boulevardmedien, deren Geschichten ihrer Darstellung nach oft reine Erfindungen – und manchmal richtiggehend bösartig – sind.
«Es ist meine Pflicht, die Ausbeutung und Bestechung in unseren Medien aufzudecken», sagt Harry. Er schlägt einen Bogen von den Kindheitserfahrungen mit dem Medienrummel um seine Mutter Prinzessin Diana bis zu seiner Frau Meghan und beklagt «das Leid, das Frauen widerfährt, die in diese Familie einheiraten». Er habe große Angst gehabt, dass sich die Geschichte wiederholen könne. Diana war im Sommer 1997 bei einem tragischen Autounfall auf der Flucht vor Paparazzi ums Leben. Dem Palast wirft er vor, einen schmutzigen Pakt mit den Medien eingegangen zu sein, um die eigene Popularität zu sichern: «Die Presse-Meute der royalen Korrespondenten ist eigentlich nur ein verlängerter PR-Arm der Royal Family», so Harry.
Noch schwerer dürften jedoch die Vorwürfe zum Thema Rassismus wiegen. Bereits im vergangenen Jahr hatten Harry und Meghan (41) in einem aufsehenerregenden Interview mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey dem Palast Rassismus und mangelnde Unterstützung vorgeworfen. Erst vor wenigen Tagen musste eine langjährige Hofdame den Palast verlassen, nachdem sie bei einem Empfang mit rassistischen Fragen aufgefallen war.
Prinz Harry über einen seiner größten Fehler
Nun führt Harry das Problem weiter aus: Es gebe in der Königsfamilie ein riesiges Maß an unbewussten Vorurteilen, sagt der Sohn von König Charles III. – und zeigt sich dabei auch selbstkritisch. Das Tragen eines Nazi-Kostüms bei einer Party im Jahr 2005 bezeichnete er als «einen der größten Fehler meines Lebens». Der inzwischen 38-Jährige war damals bei einem privaten Kostümfest in einer Uniform mit Hakenkreuz-Armbinde erschienen. Fotos davon hatten rasch in die Medien gefunden und einen Sturm der Empörung ausgelöst. «Ich habe mich so geschämt danach, ich wollte es einfach nur wieder in Ordnung bringen», sagte er. Er habe sich nach dem Vorfall mit dem Chefrabbiner in London getroffen und in Berlin mit Holocaust-Überlebenden.
Die Dokumentation setzt Meghans rassistische Erfahrungen im Vereinigten Königreich auch in Verbindung mit der aufgeheizten damaligen Brexit-Debatte. Es sei gewarnt worden, dass sich ohne ein Gegensteuern der britischen Regierung «der Kulturkampf, der schon existiert, riesig wird und sich zu einem echten Problem entwickelt», erinnert sich Harry. Monarchie-Experte Prescott weist darauf hin, dass der Prinz noch immer Teil der Royal Family sei, die sich üblicherweise nicht zu politischen Themen äußere. Seine Kommentare zum Brexit und zur Kolonialgeschichte des Königshaus seien daher «ein ziemlich außergewöhnliches Statement».
Auf persönliche Vorwürfe gegen einzelne Royals verzichtet das Paar – zumindest in den ersten drei Folgen. Doch in drei weiteren Folgen, die schon in einer Woche (am 15. Dezember) erscheinen sollen, sowie in Harrys im Januar erscheinender Autobiografie könnte sich dies womöglich noch ändern.