Trotz der starken Spannungen im Zuge des Ukraine-Krieges haben sich Washington und Moskau auf einen aufsehenerregenden Gefangenenaustausch geeinigt. Die in Russland zu neun Jahren Haft verurteilte US-Basketballerin Brittney Griner und der in den USA inhaftierte russische Waffenhändler Viktor But seien freigelassen worden und auf dem Weg in ihre Heimatländer.
Das teilten das Weiße Haus und der Kreml gestern mit. Der Austausch habe auf dem Flughafen in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattgefunden.
In einem von den USA heftig kritisierten Verfahren hatte ein russisches Gericht Griner im August wegen Drogenbesitzes zu neun Jahren Lagerhaft verurteilt. Zuletzt war sie in ein Frauenstraflager in der russischen Teilrepublik Mordwinien in der Großregion Wolga verlegt worden. Dabei bestand von Anfang an die Hoffnung, dass die 32-Jährige bei einem Austausch von Gefangenen freikommen könnte. Russland und die USA hatten bereits im April Gefangene ausgetauscht, obwohl das Verhältnis der Länder sich wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine noch einmal verschärft hatte.
Biden spricht mit Griner
«Gerade habe ich mit Brittney Griner gesprochen», verkündete US-Präsident Joe Biden gestern Morgen (Ortszeit). «Sie ist sicher. Sie sitzt in einem Flugzeug. Sie ist auf dem Weg nach Hause.» Griner ist heute in ihrer Heimat im US-Bundesstaat Texas angekommen. Die Maschine landete am Kelly Field Flughafen in San Antonio, wie der Sender CNN vom Flughafen und weitere US-Medien berichteten.
Nach Angaben von Biden bleibe jedoch die Tatsache, dass Griner Monate ihres Lebens verloren habe und auch traumatisiert worden sei: «Sie verdient Raum, Privatsphäre und Zeit mit ihren Lieben, um sich von ihrer Zeit, in der sie zu Unrecht inhaftiert war, zu erholen und zu heilen.» Biden dankte zudem den Vereinigten Arabischen Emiraten für ihre Hilfe. Griners Ehefrau Cherelle Griner dankte Biden und der gesamten Regierung für ihre Bemühungen.
Russland wiederum erhielt im Gegenzug den früheren Sowjetoffizier Viktor But. Er sei im Flugzeug auf dem Weg nach Russland, hieß es in Moskau. Er soll verbrecherische Regime und Rebellen in zahlreichen Ländern illegal mit Waffen ausgerüstet haben. Der als «Händler des Todes» berüchtigte Russe war in den USA 2012 zu 25 Jahren Haft verurteilt worden – der wichtigste Vorwurf war, dass er Rebellen Boden-Luft-Raketen verkaufen wollte, mit denen amerikanische Flugzeuge abgeschossen werden können. Er galt zuvor als einer der meistgesuchten Waffenhändler der Welt.
Die Ankunft von But in Russland werde in Kürze erwartet, sagte die russische Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa am Donnerstag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Für die Freilassung Buts habe sich Präsident Wladimir Putin persönlich eingesetzt, verdeutlichte die 67-Jährige die Bedeutung des Waffenhändlers.
Unterdessen rühmte sich auch Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman damit, bei der Einigung geholfen zu haben. Die USA blieben gegenüber Riad zurückhaltend. Man danke einer Reihe von Ländern, darunter auch Saudi-Arabien, dass diese den Fall Griners gegenüber dem Kreml angesprochen hatten, sagte Präsidenten-Sprecherin Karine Jean-Pierre.
Neun Jahre für Vape-Kartuschen und Haschisch-Öl
Athletin Griner war am Moskauer Flughafen Scheremetjewo festgenommen worden. Laut russischer Justiz hatte sie bei einer Gepäckkontrolle sogenannte Vape-Kartuschen und Haschisch-Öl bei sich. Es soll sich um 0,5 Gramm gehandelt haben. Dies wurde als illegaler Drogenbesitz und versuchter Schmuggel gewertet. Das Gericht sah keine mildernden Umstände. Griner hatte sich schuldig bekannt. Washington hatte Moskau von Anfang an ein politisch motiviertes Verfahren vorgeworfen – vor allem wegen des hohen Strafmaßes.
Griner spielte seit 2015 beim russischen Spitzenclub UMMC Jekaterinburg im Ural und gewann mit ihm viermal die Euroleague. In der amerikanischen Frauen-Profiliga WNBA gewann sie 2014 mit den Phoenix Mercury die Meisterschaft, mit der US-Nationalmannschaft holte sie außer zwei Olympiasiegen auch zweimal Gold bei Weltmeisterschaften. «Sie repräsentiert das Beste von Amerika – auf ganzer Linie», würdigte Biden sie.
Der «New York Times» zufolge war Griner in Gefangenschaft zunehmend besorgt darüber gewesen, womöglich nicht freigelassen zu werden. Demnach habe sie nur einmal am Tag eine Stunde in einem kleinen Hof verbringen dürfen und sei ansonsten mit zwei anderen Insassen in einer kleinen Zelle eingesperrt gewesen. Dort habe die 2,06 Meter große Frau auf einem für sie verlängerten Bett geschlafen.
Der diplomatische Erfolg vom Donnerstag war unter dem Eindruck harter Sanktionen der USA gegen Russland wegen des Ukraine-Einmarsches lange in der Schwebe. Tatsächlich hatten US-Medien vor einigen Monaten unter Berufung auf amerikanische Regierungsbeamte davon berichtet, dass Putin die Freilassung Griners für But nicht besprechen wolle und offenbar kein Interesse an einer Einigung habe. In den vergangenen Wochen war dann Bewegung in die Verhandlungen gekommen – mit einem Ergebnis, das auch für Putin angesichts der militärischen Probleme in der Ukraine einen Erfolg und gute Presse in Russland bedeuten könnte.
Trubel um weiteren Gefangenen
Mit der Freilassung Griners richtet sich das Augenmerk auch auf einen anderen, ungelösten Fall: den 2018 in Russland verhafteten und wegen angeblicher Spionage verurteilten Amerikaner Paul Whelan. Die US-Regierung steht nach dem Gefangenenaustausch unter Rechtfertigungsdruck.
«Wir haben eine Botschaft für Paul Whelan. Es ist eine Botschaft, die wir ihm erst kürzlich und auch heute wieder übermittelt haben. Bewahre den Glauben, wir kommen dich holen», sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, gestern dem Fernsehsender CNN. «Es ging nicht darum, dass wir uns zwischen Brittney Griner und Paul Whelan entscheiden mussten», so Price. Es sei vielmehr darum gegangen, lieber einen als keinen Gefangenen freizubekommen. Die Russen hätten die Vorschläge der USA zur Freilassung Whelans blockiert.
«Wir haben Brittney nie vergessen. Wir haben Paul Whelan nicht vergessen, der seit Jahren zu Unrecht in Russland inhaftiert ist», sagte US-Präsident Biden. Leider behandle Moskau den Fall Whelans «aus völlig illegitimen Gründen» anders als den Griners. «Wir werden weiter mit besten Absichten über Pauls Freilassung verhandeln», sagte Biden. Mehrere US-Vertreter, darunter Außenminister Antony Blinken, verteidigten den Deal: Es sei klar geworden, dass man entweder nur Griner befreien könne – oder niemanden. Russland wolle Whelan momentan nicht freigeben.