Bevor Sam Ryder im Mai beim Eurovision Song Contest in Turin antrat, hatte er Zweifel, denn in den beiden Vorjahren war Großbritannien jeweils auf dem peinlichen letzten Platz gelandet. Doch Ryder wurde mit seinem Song «Space Man» und einem spektakulären Auftritt im Glitzeranzug Zweiter – der Auftakt zu einem unglaublichen Lauf für den britischen Sänger und Songwriter. Jetzt veröffentlicht Sam Ryder sein Debütalbum «There’s Nothing but Space, Man!».
«Was für ein Jahr, Mann, unglaublich!», schwärmt der 33-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. Unter anderem sang er im Sommer zum 70. Thronjubiläum von Königin Elizabeth II. in London vor dem Buckingham-Palast und stand im Wembley-Stadion mit den Musikern der Foo Fighters und seiner Idole Queen auf der Bühne.
«Wenn nur eine dieser Sachen in einem Jahr oder in zwei Jahren passiert wäre, dann würde man sich mit der Familie hinsetzen und monatelang darüber sprechen. Es ist echt schwer zusammenzufassen.»
Zeit für Sport hat er kaum noch
Ryder, dessen Karriere gewissermaßen als Tiktok-Star begann, ist längst auch jenseits des Internets ein gefragter Mann. In diesem Jahr gab er Konzerte in Deutschland, den USA und Großbritannien. Zeit ist für ihn ein knappes Gut geworden. Das Gespräch mit dpa führt er am frühen Morgen via Zoom, während er einen Spaziergang durch den Primrose Hill Park in London macht. «Ich versuche, ein bisschen Sport zu machen», sagt er lachend. «Ich gebe meine Interviews, während ich gehe, sonst hab ich überhaupt keine Zeit mehr für Sport.»
Die meisten Songs für sein Debütalbum hat der Mann mit dem markanten Vollbart und den langen Haaren noch komponiert, bevor der ESC-Hype einsetzte. «Ich hab das Album geschrieben, ohne zu wissen, dass ich ein Album schreibe.» Erst der Erfolg in Turin und die große Aufmerksamkeit veranlassten Ryder, daraus ein Album zu machen. «Ich bin meine Festplatte durchgegangen und habe etwa 100 Songs gefunden. Dann habe ich mich daran gemacht, eine Art Playlist zu erstellen. Und ich dachte: Mir würde so eine Platte gefallen. Die Songs haben gut zueinander gepasst.» Zwei Lieder kamen anschließend noch hinzu.
Seine positive Art ist nicht gekünstelt
«There’s Nothing but Space, Man!» ist ein kräftiges Poprock-Album geworden, auf dem Ryders außergewöhnliche Stimme wie schon in «Space Man» von Beginn an voll zur Geltung kommt.
So singt er beim Eröffnungstrack «Deep Blue Doubt» zunächst über melancholische Pianoakkorde, bevor sich das Lied zu einem mitreißenden, erhebenden Popsong entwickelt. Das ist sinnbildlich für Ryders positive Einstellung, die – das wird in Gesprächen deutlich – keineswegs aufgesetzt ist.
Die Dramaturgie vom eher ruhigen Beginn zum wuchtigen Refrain ist ähnlich bei «Space Man», «Tiny Riot» oder «More». Der packende Song über das Gefühl, von allem mehr zu wollen und nie genug zu bekommen, anstatt sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren, zählt zu den Höhepunkten des Albums. «Es passiert uns allen, dass wir von den großen, glitzernden Dingen abgelenkt werden», so Ryder, «aber sie haben nicht die Langlebigkeit der normalen, einfachen schönen Dinge.»
Von seinen Karriere-Highlights in diesem Jahr will sich der Sänger mit dem Hippie-Look nicht blenden lassen, um bloß nicht die Bodenhaftung zu verlieren. «Niemand will mit jemandem befreundet sein, der meint, er wäre sehr wichtig, weil er im Wembley-Stadion aufgetreten ist», betont er. «Trotzdem gibt es so viele Leute, die sich so benehmen. Ich habe an sowas absolut kein Interesse.»
Er spielt das Spiel von Spotify nicht mit
Das Lied «This Time» dreht sich um Ryders rasanten Aufstieg und damit verbundene Tücken. «Careful when you climb a ladder, you don’t know how high it goes» («Vorsicht, wenn du die Leiter hochkletterst, du weißt nicht, wie hoch sie ist.»), lautet eine Zeile.
Im Zeitalter des Streaming richten viele Künstler ihre Songs beim Schreiben bewusst an Spotify und Co. aus und setzen etwa den Refrain möglichst früh ein. Ryder macht das erfreulicherweise nicht. «Ich glaube, das liegt auch daran, dass einige meiner liebsten Songwriter die ganz Großen sind. Billy Joel hat seine Lieder nie für Spotify geschrieben. Das gab es ja damals auch gar nicht. Vielleicht habe ich dann nicht sofort den Riesenerfolg im Streaming, weil ich dieses Spiel nicht mitspiele, aber ich erreiche die Fans.»
Dass neben Billy Joel und Elton John auch Queen, mit denen Ryder beim Tributkonzert für den verstorbenen Foo-Fighters-Schlagzeuger Taylor Hawkins das Lied «Somebody To Love» sang, sowie deren legendärer Frontmann Freddie Mercury zu seinen wichtigsten Vorbildern zählen, hört man den mit viel Leidenschaft gesungenen Songs an.
Komplettiert wird das Album von ein bisschen Elektropop («Put A Light On Me») und etwas groovigem Soul (die Single «Somebody»). «There’s Nothing But Space, Man» ist ein rundes Debüt. Sam Ryder wird bald voraussichtlich noch weniger Zeit für seinen Sport haben.
Das Album «There’s Nothing But Space, Man» von Sam Ryder erscheint am 9. Dezember bei Parlophone Records.