Tournee-König Halvor Egner Granerud genoss seinen Triumph mit norwegischer Fahne auf den Schultern seiner Kollegen, die deutschen Skispringer wollten nach der historischen Schlappe nur noch abreisen.
«Ich bin froh, dass es jetzt heim geht. Wir müssen Rückgrat beweisen und uns der Sache stellen. Es hat nicht sollen sein», sagte der erneut schwer geschlagene Karl Geiger. Kein Deutscher unter den besten Zehn der Gesamtwertung der Vierschanzentournee, so etwas hat es zuletzt vor zwölf Jahren gegeben. Und selbst da war das Abschneiden besser.
Granerud konnte das nach der nächsten Flugshow (139,5 und 143,5 Meter) egal sein, seine Kollegen rannten direkt im Auslauf zum Sieger. Der polnische Dauerrivale Dawid Kubacki, der sich als Tournee-Zweiter geschlagen geben musste, gratulierte am Freitag als einer der Ersten im Auslauf der riesigen Schanze in Bischofshofen.
«Dieser Erfolg ist atemberaubend»
«Dieser Erfolg ist atemberaubend. Ich habe davon so lange geträumt», sagte Granerud, der Norwegens 16 Jahre lange Tournee-Flaute beendete und sich im Moment des Sieges daran erinnerte, welche Springer er als Kind im TV hatte fliegen sehen.
«Das ist unglaublich, wie der fliegt. Der macht grad ganz schön was richtig. Das sieht einfach nur schön aus», sagte Philipp Raimund über den erstmaligen Tournee-Sieger. Andreas Wellinger auf Gesamtrang elf und Raimund als 13. waren in einer desolaten deutschen Mannschaft noch die besten – mit der Weltspitze hatten sie aber auch nichts zu tun.
«Jetzt ist langsam der Ofen aus. Es waren turbulente Tage, aber auch viele unschöne Sachen dabei», analysierte Führungsspringer Geiger, der als Hoffnungsträger ausgemacht wurde. Rang 51 in Innsbruck und nun Platz 23 in Bischofshofen zählen zu den schwersten Niederlagen seiner bisherigen Laufbahn.
Graneruds Triumph, für den es neben seinem Gesamtweltcup-Titel 2020/21 der größte Erfolg war, geriet im Duell mit Kubacki nicht mehr groß in Gefahr. Der 26-Jährige krönte vor 14 000 Zuschauern Norwegens Durststrecke, die seit dem Titel von Anders Jacobsen im Januar 2007 dauerte. Das Gesamtpodest komplettierte als Dritter Anze Lanisek aus Slowenien. Das Trio hatte die gesamte Tournee geprägt. Am Freitag gewann noch mal Granerud, diesmal vor Lanisek und Kubacki.
DSV-Adler enttäuschen
Für das deutsche Team endete das Sprungspektakel so trist wie lange nicht. Die Schützlinge von Bundestrainer Stefan Horngacher waren gegen die furios fliegende Weltspitze erneut chancenlos. Horngacher hatte schon vor dem ernüchternden Schlusswettbewerb gesagt, dass es sich derzeit um die bitterste Phase in seiner dreieinhalbjährigen Amtszeit handelt.
Der erste Tournee-Sieg seit Sven Hannawald 2002 war schon ab dem Neujahrsspringen überhaupt kein Thema mehr. «Wir haben sehr gut begonnen in Oberstdorf und dann überhaupt nicht mehr Schritt halten können. Es war eine schwierige Tournee für alle Beteiligten», sagte Chefcoach Horngacher. Das nächste große Ziel sei die WM, fügte der 53 Jahre alte Tiroler an. «Jetzt müssen wir erst mal die Emotionen sacken lassen und dann können wir wieder gerade denken.»
Erstmals seit drei Jahren waren beim traditionellen Tournee-Finale am Dreikönigstag wieder Zuschauer zugelassen. Schon um die Mittagszeit lief deshalb in dem beschaulichen Ort im Pongau eine ausgelassene Party mit lauter Musik und mehreren großen Bühnen. Drei Fans kamen passend zum Anlass verkleidet als «Heilige Drei Bierkönige» mit Schaumkronen auf dem Kopf. In den Wirtschaften wurde als Appetitmacher der «Stefan-Kraft-Springer-Toast» zu Ehren von Österreichs Topflieger serviert.
Besonderes Nachricht für Kubacki
Für Gelb-Träger Kubacki begann der Tag mit einer besonderen Nachricht. Seine Frau Marta brachte in der Heimat das zweite gemeinsame Kind zur Welt. «Das Baby ist während unseres Warm-ups zur Welt gekommen. Ich habe ihn nur mit einem Riesensmile gesehen. Es geht ihm sehr gut», sagte Polens Cheftrainer Thomas Thurnbichler in der ARD. Schon das erste Kind Kubackis war während der Vierschanzentournee zur Welt gekommen – vor zwei Jahren hatte er danach direkt das Neujahrsspringen gewonnen.
Für die deutschen Athleten ging es nach dem Debakel vom Bergisel nur noch um Schadensbegrenzung. Im Verlauf der 71. Tournee lief es für das Horngacher-Team immer schlechter. Nach ordentlichem Oberstdorf-Auftakt folgte ein durchwachsenes Ergebnis in Garmisch-Partenkirchen und eine schwere Niederlage in Innsbruck, als plötzlich gar kein Deutscher mehr unter den besten Zehn war.
In Bischofshofen ging es nicht nennenswert aufwärts. Geiger, der in Oberstdorf noch Vierter war, nahm wieder eine Nebenrolle ein. Youngster Raimund beendete seine verblüffende Tournee als Lichtblick erneut als bester Deutscher (Rang zwölf). Olympiasieger Wellinger musste auf der riesigen Paul-Außerleitner-Schanze seinem eigenen Gesundheitszustand trotzen, die vor allem am Donnerstag zu wünschen übrig gelassen hatte. «Mir geht es ein bissl besser, aber gut ist noch lange nicht das Stadium. Mein Energielevel ist ziemlich weit unten», sagte Wellinger, der Magenprobleme hatte.
Das galt auch für das Schneelevel. Bis auf den Kunstschnee an den Schanzen war an den zehn Tagen von Oberstdorf bis Bischofshofen überhaupt nichts winterlich. In Garmisch standen manche Fans bei 15 Grad im T-Shirt im Auslaufbereich, in Bischofshofen gab es zunächst viel Regen und dann einen sonnigen Tag mit erneut deutlichen Plusgraden.
«Es ist sehr, sehr traurig, egal an welcher Station. Wir hatten nirgendwo Schnee, außer hier an der Schanze. Das ist sehr traurig, wenn man darüber nachdenkt, dass es eigentlich ein Wintersport ist», sagte Raimund. Er geht davon aus, dass die Zukunft des Skispringens auf Matten stattfindet.