Die Software, die perspektivisch bundesweit zum Einsatz kommen könnte, durchforstet die verschiedenen Datenbanken der Polizei, um Querverbindungen zu entdecken, die den Ermittlern sonst vielleicht nie auffallen würden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Uli Deck/dpa)

Die Polizei darf bei der Suche nach potenziellen Straftätern grundsätzlich große Datenbestände per Software analysieren – für deren Einsatz macht das Bundesverfassungsgericht aber strenge Vorgaben. Die Regelungen in Hessen und Hamburg werden diesen Anforderungen bisher nicht gerecht. Die Karlsruher Richterinnen und Richter erklärten sie deshalb für verfassungswidrig. Eine verfassungsgemäße Ausgestaltung sei aber möglich, sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Gerichtspräsident Stephan Harbarth, bei der Urteilsverkündung am Donnerstag.

Das Programm, das perspektivisch bundesweit zum Einsatz kommen könnte, durchforstet die verschiedenen Datenbanken der Polizei, um Querverbindungen zu entdecken, die den Ermittlern sonst vielleicht nie auffallen würden. Das soll der Polizei helfen, potenziellen Tätern auf die Spur zu kommen, noch bevor sie eine Straftat begehen können.

Für die Verfassungsrichter ist dies auch ein legitimer Zweck. Sie erkennen an, dass durch die neue Technik «relevante Erkenntnisse erschlossen werden können, die auf andere, grundrechtsschonendere Weise nicht gleichermaßen zu gewinnen wären». Die weitgehend gleichlautenden Regelungen in Hessen und Hamburg lassen der Polizei aber derzeit derart freie Hand, dass sie nicht verhältnismäßig sind.

Sie erlaubten der Polizei, «mit einem Klick umfassende Profile von Personen, Gruppen und Milieus zu erstellen». Gleichzeitig ließen sie «eine breite Einbeziehung von Daten Unbeteiligter zu, die deshalb polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen unterzogen werden könnten», so die Richter. Mittels Datenanalyse könnten «neue persönlichkeitsrelevante Informationen erzeugt werden, auf die ansonsten kein Zugriff bestünde». Angesichts dieses sehr hohen «Eingriffsgewichts» ist der Einsatz der Software bisher in viel zu vielen Fällen erlaubt.

Rund 14.000 Abfragen jährlich allein in Hessen

In Hessen, wo die Polizei schon seit 2017 mit der Software arbeitet, bekommt der Gesetzgeber bis spätestens Ende September Zeit, die problematische Vorschrift neu zu regeln. Bis dahin bleibt sie mit deutlichen Einschränkungen in Kraft. In Hamburg wird die Technik noch nicht genutzt, hier erklärte das Gericht den Passus für nichtig.

Das Urteil dürfte auch in anderen Ländern genau analysiert werden. Nordrhein-Westfalen setzt die Software ebenfalls ein. Bayern arbeitet gerade an der Einführung – als Vorreiter für andere Länder und den Bund. Der Freistaat hat mit dem US-Unternehmen Palantir einen Rahmenvertrag geschlossen, damit alle anderen Polizeien dessen Programm ohne zusätzliche Vergabeverfahren übernehmen können.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Überprüfung in Karlsruhe angestoßen hatte, erklärte, das Urteil strahle in die ganze Republik aus. Es habe «das Risiko deutlich reduziert, dass unbescholtene Bürgerinnen und Bürger ins Visier der Polizei geraten», teilte der GFF-Prozessbevollmächtigte Bijan Moini mit. Das Gericht habe strenge Vorgaben für den Einsatz von intelligenter Software in der Polizeiarbeit formuliert. «Das war wichtig, weil die Automatisierung von Polizeiarbeit gerade erst begonnen hat.»

Eingesetzt wird Hessendata – so der Name des Programms – insbesondere zur Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Kinderpornografie. Bei rund 14.000 Abfragen jährlich arbeiten landesweit mehr als 2000 Polizistinnen und Polizisten mit dem System. Sie sind jeweils nur für ihren Zuständigkeitsbereich freigeschaltet.

Das Urteil betrifft ausschließlich die Datenanalyse zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Als Kläger waren Journalisten, Anwältinnen und Aktivisten aufgetreten. Die GFF hatte im Herbst noch eine dritte Verfassungsbeschwerde wegen der NRW-Software eingereicht. Diese war in dem Verfahren aber nicht mehr berücksichtigt worden.

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