Der Dokumentarfilm «Sur l’Adamant» des französischen Regisseurs Nicolas Philibert hat den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Der Film erzählt von einer ungewöhnlichen Tagesklinik – einer Hilfseinrichtung, die in einem schwimmenden Gebäude auf der Seine untergebracht ist. Hier finden psychisch kranke Menschen stundenweise Aufmerksamkeit, Beschäftigung und Hilfe. Sie können an Workshops teilnehmen, an Kursen, oder auch einfach nur mit anderen reden. Das Zentrum ist Teil eines größeren Netzwerks.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gratulierte Philibert auf Twitter. Man habe einen humanistischen Autoren geehrt und auch seine Helden, die Patienten und Betreuer der psychiatrischen Welt, so Macron. Der Film sei eine Geschichte von Menschlichkeit und Engagement.
Philibert hatte seinen Film während des Festivals bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Er habe dazu beitragen wollen, dass der Blick verändert werde, der auf die Patienten gerichtet werde, auf die Menschen mit psychischen Problemen. «Und ich wollte diese Klischees auch ein bisschen zerstören», sagte Philibert. Der Alltag auf dem auch architektonisch ungewöhnlichen Schiff wird voller Respekt und Zuneigung zu allen Menschen gezeigt.
Philibert lässt stets Behutsamkeit walten, ob er nun Kranke oder Gesunde erzählen lässt, sie interviewt oder still beobachtet. Mit respektvoller Distanz kommt er den Menschen auf der «Adamant» nah. Die Kamera erlaube ihm, eine gewisse Schwelle zu überschreiten, sagte Philibert, seine eigene Angst und seine eigenen Schwierigkeiten zu überwinden. «Wir haben ja alle Schwierigkeiten, auf andere zuzugehen, und die Kamera hilft mir.»
Weitere Preisträger
Auch der neue Film des deutschen Regisseurs Christian Petzold wurde ausgezeichnet – «Roter Himmel» erhielt den Großen Preis der Jury. Die Filmfestspiele gaben die Entscheidungen in Berlin bekannt.
Der Schauspielpreis ging in diesem Jahr an ein Kind: Sofía Otero wurde für die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle ausgezeichnet. Im Coming-of-Age-Film «20.000 especies de abejas» («20.000 Species of Bees») spielt sie ein achtjähriges Kind, das auf der Suche nach seiner geschlechtlichen Identität ist.
Die Österreicherin Thea Ehre erhielt den Silbernen Bären für die beste schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle. Ehre spielt in Christoph Hochhäuslers Krimi «Bis ans Ende der Nacht» eine Transfrau, die mit einem Polizisten verdeckt im Drogenmilieu ermitteln soll.
Der deutschen Filmemacherin Angela Schanelec wurde für ihre Ödipus-Adaption «Music» der Drehbuchpreis zugesprochen. Der Franzose Philippe Garrel bekam den Silbernen Bären für die beste Regie, in seinem Film «Le grand chariot» porträtiert er eine Puppenspielerfamilie.
Preis der Jury
Der Preis der Jury ging an das Psychodrama «Mal Viver» des portugiesischen Regisseurs João Canijo, das von mehreren Frauen in einem alten Hotel erzählt. Die Kamerafrau Hélène Louvart erhielt den Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Leistung im Drama «Disco Boy». Franz Rogowski spielt darin einen Mann, der nach Frankreich flieht und der Fremdenlegion beitritt.
Die Berlinale zählt neben Cannes und Venedig zu den großen Filmfestivals. Die US-amerikanische Schauspielerin Kristen Stewart («Spencer», «Twilight») leitete in diesem Jahr die Internationale Jury. Gemeinsam mit den anderen Jurymitgliedern entschied sie über die Vergabe der Auszeichnungen. Im vergangenen Jahr hatte das Drama «Alcarràs – Die letzte Ernte» den Goldenen Bären gewonnen. Die diesjährige Berlinale geht am Sonntag zu Ende.