Henning May (l-r), Christopher Annen und Severin Kantereit bringen ihr viertes Studioalbum heraus. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Martin Lamberty/Check your Head/dpa)

Rauer Gesang, tiefe Gefühle, leichte Worte in harten Zeiten: AnnenMayKantereit, das erfolgreiche Deutschpop-Trio, trifft mit seinen Texten den Zeitgeist einer Generation. Mit seinem Gesang rührt Henning May (31) viele Menschen zu Tränen.

Nun suchen die Künstler – nach einsamen Jahren der Pandemie – ihren Weg zurück in eine neue Realität, in der Liebe und Sinnsuche wieder zu Hauptthemen werden. Und finden ihn. In ihrem vierten Studioalbum kommen die drei Kölner endlich zurück an ihren WG-Tisch. «Es ist Abend und wir sitzen bei mir» – so lautet entsprechend der Titel des Albums. «Lass es raus, lass es kreisen, in diesen seltsamen Zeiten», singt Leadsänger Henning May im Opener.

Es geht auch mal um Erdbeerkuchen

«Das finde ich schon total wichtig, dass das Album so den Schub wieder raus gibt in die endemische Phase», sagt Gitarrist Christopher Annen (33) im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Die wieder gewonnene Normalität merkt man den Künstlern an. «Bei dem Album war viel leicht», erzählt Schlagzeuger Severin Kantereit (31) und lächelt seinem Bandkollegen zu.

Auch im Klang und Songwriting ist die Lockerheit zurück. «Wir waren wieder viel mehr Musiker», erzählt Annen. Nach Zeiten des zu Hause selbst Produzierens wieder ins Studio zu kommen, die Instrumente in die Hand zu nehmen, mit Produzenten zu sprechen, loszulegen. Der Prozess habe sich wieder einfacher angefühlt. Entscheidungen seien schneller getroffen worden als beim Ausflug in die experimentelleren Sphären des letzten Albums, das in Zeiten der Pandemie entstand.

Die 15 Musikstücke des neuen Albums sind wieder «mehr klassischere Songs», wie es Annen nennt. Gemeint ist damit bei AnnenMayKantereit die deutschsprachige Gitarrenmusik, in der Texte über Liebe, Erwachsenwerden und Erwachsensein in eine wiedererkennbare Soundästhetik gepackt werden, wofür sie die Fans lieben. In den Texten des neuen Werks geht es dieses Mal aber nicht nur um die schweren Themen wie Trennung, Weltschmerz und Kindheitserinnerungen, sondern auch mal um so scheinbar banale Dinge wie «Erdbeerkuchen». «Wir haben immer noch Lust, uns musikalisch und inhaltlich viel auszuprobieren», so Kantereit.

Sie haben ihr eigenes Label und Management

Ihrem Sound ist sich die Band weitgehend treu geblieben, aber im Hintergrund hat sich viel getan. Aber zunächst ein Blick zurück auf die Anfänge vor zehn Jahren: Drei Jungs lernen sich auf einem Gymnasium in Köln kennen, gründen eine Band – zusammengesetzt aus ihren Nachnamen. Sie spielen erst in Fußgängerzonen, veröffentlichen Musikvideos auf Youtube. Plötzlich sieht man sie auf größeren Bühnen, sie steigen in den Chartplatzierungen auf, bekommen einen großen Deal bei einem der Majorlabel.

Heute hat ihr meistgestreamter Song auf der Streaming-Plattform Spotify über 200 Millionen Streams. Die Künstler sind mittlerweile über 30 – erwachsen werden ist angesagt. «Wir haben parallel zum Musikmachen in den letzten zwei Jahren unsere Struktur umgebaut», so Kantereit. Eigenes Management, eigenes Label. Die Band will unabhängiger sein. Wer verdient an was? Wohin gehen die Rechte? Doch das eigene Business ist auch mit viel Stress verbunden. «Ich glaube, wir kommen da schon ab und zu mal an unsere Limits», erzählt der Schlagzeuger.

Trotzdem stimmen sie ihre Kapazitäten gut ab, bleiben sich und ihrer Freundschaft treu. «Das muss ja auch sein, dass wir zu dritt einfach immer noch befreundet sind und persönlich über Dinge sprechen. Und erst dann kommt die Musik und dann kommt das Business drum herum», so Kantereit. Und das Gefühl des netten Abends in der WG-Küche unter Freunden, das man beim Hören ihrer Musik unweigerlich bekommt, bleibt auch bei diesem Album der Kölner Band erhalten.

Von Ann-Marie Utz, dpa

Von