Ob in diesem Jahr 40, 60 oder vielleicht sogar 80 der zuletzt knapp 130 Warenhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof schließen werden, ist zurzeit noch ein gut gehütetes Geheimnis. Fest steht: Mit der anstehenden Schließungswelle rollt auf etliche Kommunen eine riesige Herausforderung zu. Denn eine neue Nutzung für die Warenhausimmobilien zu finden ist oft alles andere als einfach.
«Es wird in den meisten Fällen Jahre dauern, bis die von Galeria aufgegebenen Immobilien eine neue langfristige Nutzung gefunden haben», prognostiziert der Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH), Boris Hedde.
Zu viele Verkaufsetagen, zu wenig Tageslicht, zu niedrige Decken
Das Problem: Die Gebäude wurden fast ausnahmslos zu einer Zeit errichtet, als die Anforderungen an den Handel ganz anders waren als heute. Sie haben zu viele Verkaufsetagen, zu wenig Tageslicht und oft auch zu niedrige Decken, um heutige Ansprüche zu erfüllen. In der Regel sind aufwendige Umbauten oder gar ein Abriss unvermeidlich.
Das zeigte sich schon nach der Schließung von rund 40 Warenhausfilialen im Zuge des ersten Insolvenzverfahrens bei Deutschlands letzter großer Warenhauskette im Jahr 2020. Eine Studie der Unternehmensberatung PwC, die das weitere Schicksal von 32 der Filialen verfolgte, ergab zwar, dass bereits ein Jahr nach Bekanntwerden der Warenhausschließungen für mehr als 70 Prozent der Schließungsstandorte ein Plan für die zukünftige Nutzung vorlag.
In rund drei Viertel der Fälle waren jedoch umfangreiche bauliche Veränderungen erforderlich, um langfristige Nachnutzungen zu gewährleisten. Jedes dritte Gebäude, für das es bereits Planungen gab, sollte demnach abgerissen werden. Bei weniger als einem Fünftel der Objekte kam es zu einer Nachvermietung ohne bauliche Änderungen.
«Die Warenhäuser verlieren seit Jahrzehnten an Bedeutung. Und die Corona-Pandemie hat die Entwicklung noch einmal drastisch beschleunigt», sagt Hedde. Früher hätten die Kaufhäuser durch die angebotene Warenvielfalt beeindruckt. Aber das sei vorbei. «Wer ein breites Sortiment sucht, geht heute ins Internet.»
Es braucht ein neues Geschäftsmodell
Wer heute in die Innenstadt komme, wolle Beratung und eine gelungene Vorauswahl aus der Warenflut – kurz ein Einkaufserlebnis. «Aber das bietet kaum ein Warenhaus», meint der IFH-Geschäftsführer. Ein Versuch, in den alten Galeria-Immobilien einfach mit dem gleichen Geschäftsmodell weiterzumachen, wäre nach seiner Einschätzung deshalb zum Scheitern verurteilt.
Stattdessen werde man häufig Mischnutzungen sehen: etwa Lebensmittel- und Modegeschäfte im Erdgeschoss, darüber vielleicht eine öffentliche Einrichtung wie die Stadtbibliothek und in den oberen Etagen Büro- oder Wohnnutzung, meint Hedde. Diese Entwicklung hatte sich einer anderen PwC-Studie über die weitere Nachnutzung von 52 schon in den Jahren 2009 bis 2020 geschlossenen Warenhäusern zufolge bereits abgezeichnet. «Für die großen Metropolen wird die Schließung von Galeria-Filialen kein harter Schlag sein. Denn die Warenhäuser sind dort keine großen Frequenzbringer mehr», betont Hedde. Etwas anders sei die Situation in kleineren Städten.
«Der Druck, eine Lösung zu finden, ist in kleineren Städten am größten», urteilt auch der PwC-Immobilienexperte Benjamin Schrödl. Nach einer Warenhauschließung sei es für sie vor allem wichtig, Leben in die Stadt zurückzuholen, damit nicht noch mehr Geschäfte aufgeben müssten. «Alles, was Fußgänger bringt, hilft», betont der Experte.
Pop-up-Stores können beim Überbrücken helfen
Denn es braucht geraume Zeit, bis eine neue Nutzung für einen Warenhausstandort umgesetzt ist. «Wenn man das Gebäude weitgehend unverändert lässt und nur ein bisschen renoviert, ist das in einem halben bis einem Jahr machbar. Aber so ein Minimalismus wird selten zu einer überlebensfähigen Lösung führen. Nach zwei bis drei Jahren steht das Gebäude häufig wieder leer», urteilt Schrödl.
Wenn man das Gebäude richtig umbaue, Lichthöfe hineinschneide und die Voraussetzungen für neuartige Nutzungen schaffe, dauere es schon zwei bis drei Jahre. Bei einem komplett neuen Projekt könnten es aber auch fünf bis zehn Jahre werden.
Diese Zeit müsse mit Angeboten vom Pop-up-Store bis hin zu Kulturangeboten überbrückt werden, meint Hedde. Hier seien auch die Kommunen als Möglichmacher gefragt. Beispiele, wie so etwas aussehen könne, gibt es nach seinen Worten schon etliche. Lübeck etwa habe das alte Karstadt-Haus gekauft und plane Flächen mit Bildungsangeboten zu bespielen. In Homburg an der Saar werde ein Leerstand in der Innenstadt für Modenschauen genutzt. Hanau habe ein Kunstkaufhaus geschaffen, wo Künstler aus der Region ausstellen und verkaufen könnten. In Bremen sei ein nachhaltigkeitsorientiertes Kaufhaus etabliert worden.
«Von diesen Beispielen muss es mehr geben», meint Hedde und gewinnt der Schließungswelle dann sogar etwas Positives ab. «Diese Leerstände sind eher eine Chance als eine Gefahr für die Innenstädte», meint er.