Das Geheimnis seines Erfolgs sind gute Geschichten: Das verriet Andrew Lloyd Webber einmal in einem Interview. «Man muss immer mit der Story beginnen», sagte der britische Musical-Komponist, der an diesem Mittwoch (22. März) seinen 75. Geburtstag feiert, dem US-Sender NBC vor einigen Jahren. Er muss es wissen: «Jesus Christ Superstar», «Evita», «Cats» und «Phantom der Oper» – die Liste seiner Hit-Musicals, die schon seit Jahrzehnten Menschen begeistern, ist lang.
1948 im schicken Londoner Viertel Kensington geboren, wächst Lloyd Webber in einem musikalischen Haushalt auf. Sein Vater ist Komponist und Lehrer am Londoner Royal College of Music, die Mutter ist Pianistin. Schon im Grundschulalter beginnt Andrew, der noch einen jüngeren Bruder hat, Musik zu schreiben und im Familienkreis Musicals aufzuführen. Diese seien allerdings «schrecklich, schrecklich» gewesen, gesteht er später ein.
Doch es ist nicht nur die klassische Musik seines Elternhauses, auch Rock und Pop beeinflussen den jungen Andrew stark. Schließlich verschmilzt er alles zu einem unverkennbaren Stil.
Erfolgreich mit Texter Tim Rice
Der Durchbruch gelingt ihm in einer jahrelangen Zusammenarbeit mit dem Textschreiber Tim Rice, aus der sowohl «Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat» (1968) als auch «Jesus Chris Superstar» (1970) hervorgehen. Die Kooperation endet aber mit dem Musical «Evita» über die frühere argentinische Präsidentengattin und Schauspielerin Eva Perón. Der Song «Don’t Cry for Me, Argentina» stürmte in Großbritannien und weiteren Ländern an die Spitze der Charts.
«Tim hatte meine Wutanfälle satt. Meine Verteidigung ist, dass es mir so wichtig ist, den Sound richtig hinzukriegen», gesteht Lloyd Webber in seinen Memoiren «Unmasked», die zum 70. Geburtstag erschienen.
Selbst überrascht ist Lloyd Webber über den großen Erfolg von «Cats» (1981), das zum Musical mit der längsten Laufzeit am Broadway wird, bevor es von «Phantom der Oper» (1986) abgelöst wird. Auch «Starlight Express» (1984), von Kritikern nicht geschätzt, wird ein kommerzieller Erfolg. Das rasante Rollschuh-Musical wird in Bochum bereits seit 1988 in einem eigens dafür gebauten Theater aufgeführt, das kürzlich die Marke von 18 Millionen Besuchern feierte.
Musical-Papst mit Ritterehren
Lloyd Webber wird im Jahr 1992 von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagenen und 1997 als Baron Lloyd-Webber of Sydmonton in den höheren Adel erhoben. Längst gilt er als Musical-Papst. Er gehört zu einem kleinen Kreis von Menschen, die mindestens jeweils eine der begehrten Auszeichnungen Emmy, Grammy, Oscar und Tony (EGOT) gewinnen.
Später wird es etwas ruhiger um ihn. Er kämpft mit Prostatakrebs und Rückenbeschwerden. «Ich nahm so viel Morphium und Schmerzmittel – und offen gesagt, ich trank zu viel – dass ich ehrlich dachte, alles ist vorbei», sagt er der Theaterzeitung «The Stage». Doch er kämpft sich zurück. Mit «School of Rock» (2015) und «Bad Cinderella» (2021) beweist er, dass er an Kreativität nichts eingebüßt hat. Im Jahr 2017 laufen gleich vier seiner Musicals gleichzeitig am Broadway.
Hart treffen ihn Lockdowns in der Corona-Pandemie. Er setzt sich vehement für eine Öffnung der Theater und Konzertsäle in Großbritannien ein und ärgert sich öffentlich über feiernde Fußballfans bei der Europameisterschaft im Jahr 2021. Sollte die Regierung nicht rechtzeitig Aufführungen vor vollen Rängen erlauben, werde er sich notfalls über die Regeln hinwegsetzen, kündigt er an. Sogar festnehmen lassen will er sich – doch das bleibt ihm erspart.
Trotzdem muss sein jüngstes Musical «Cinderella» im West End schon nach weniger als einem Jahr dichtmachen. Corona-Fälle im Ensemble und immer neue Lockdowns führen dazu, dass wiederholt Aufführungen abgesagt werden müssen. Inzwischen sind am Broadway Previews einer neuen Inszenierung des Stücks mit neuer Besetzung unter dem Titel «Bad Cinderella» gestartet.
Die offizielle Premiere des Musicals am Donnerstag, einen Tag nach seinem Geburtstag, verpasst Lloyd Webber aus privaten Gründen. Am Wochenende hatte er bekanntgegeben, dass sein ältester Sohn Nicholas schwer erkrankt ist. «Wie meine Freunde und Familie wissen, kämpft er seit 18 Monaten gegen Magenkrebs, und jetzt ist Nick im Krankenhaus.» Deshalb sei sein Platz gerade an der Seite seines Sohns.
Eine Hymne für König Charles
Ganz in seinem Element ist Lloyd Webber, als er zur Feier des 70. Thronjubiläums von Queen Elizabeth II. im Sommer 2022 vor dem Buckingham-Palast am Keyboard im purpurnen Anzug den Titelsong von «Phantom der Oper» begleitet. Für die Krönung von König Charles III. im Mai dieses Jahres wird er sogar mit dem Komponieren einer Hymne beauftragt.
Er sei «unglaublich geehrt», teilt er mit. «Ich hoffe, meine Hymne wird diesem freudigen Anlass gerecht», so Lloyd Webber. An Ruhestand scheint der quirlige Brite auch im Alter von 75 Jahren noch lange nicht zu denken.