Das IOC hat eine Empfehlung über die Zulassung russischer und belarussischer Athleten bei internationalen Wettbewerben veröffentlicht. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Hannibal Hanschke/epa/dpa)

Thomas Bach hielt sich eng an sein Manuskript, als er Athleten aus Russland und Belarus den Weg zurück auf die internationale Sportbühne bahnte.

Nach dem Willen seines Internationalen Olympischen Komitees sollen die seit Beginn des Kriegs in der Ukraine ausgeschlossenen Sportler beider Länder als neutrale Athleten wieder an Wettbewerben in aller Welt teilnehmen dürfen. Athleten mit Verbindung zu Militär und Sicherheitsorganen sowie Mannschaften sollen dem Beschluss der IOC-Spitze zufolge aber weiter ausgesperrt bleiben.

Eine Entscheidung über eine Teilnahme-Erlaubnis für Russen und Belarussen für die Olympischen Spiele 2024 in Paris werde erst später getroffen, betonte IOC-Präsident Bach. «Das ist jetzt nicht der passende Zeitpunkt», sagte der 69-Jährige, nachdem er knapp 20 Minuten lang die IOC-Empfehlungen an die Weltverbände und Sportveranstalter verlesen hatte.

Nationale Symbole bleiben verboten

Nach dem Willen des olympischen Dachverbands dürfen weiterhin keine internationalen Wettbewerbe in Russland und Belarus stattfinden. Regierungsvertreter aus beiden Ländern dürfen nicht zu Wettkämpfen eingeladen werden.

Athletinnen und Athleten müssen auf Flagge, Hymne und Symbole ihrer Heimatnationen verzichten und sich an die Anti-Doping-Bestimmungen halten. Sie dürfen nur an Wettbewerben teilnehmen, wenn sie den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine nicht aktiv unterstützen. «Wir stehen zu unseren olympischen Werten», sagte Bach.

Widerstand gegen den Kurs des IOC gibt es vor allem aus der Ukraine und einer Reihe von westlichen Ländern. Die Ukraine verweist darauf, dass viele russische Spitzensportler auch Angehörige des russischen Militärs sind. In einer Schalte von IOC-Chef Bach mit Nationalen Olympischen Komitees am Vorabend der IOC-Beratungen erinnerte der ukrainische Sportminister Wadym Gutzajt daran, dass bereits 262 ukrainische Sportler und Trainer im Krieg mit Russland getötet worden seien.

Viel Kritik aus Politik und Sportwelt

Die Ukraine droht auch mit dem Boykott internationaler Wettbewerbe bis hin zu Olympia, um Aufeinandertreffen mit Athleten aus Russland und Belarus zu vermeiden. Der Deutsche Olympische Sportbund stellte sich hinter die Forderungen nach einer Fortsetzung des Banns gegen Russland und Belarus. «Aber wir akzeptieren, dass wir mit dieser Haltung einer Minderheit im internationalen Sport angehören. Es ist nun umso wichtiger, dass die strikten Voraussetzungen glaubhaft umgesetzt und bei Verstößen Sanktionen verhängt werden», teilte der DOSB am Dienstag mit.

Einen Olympia-Boykott schließt der Dachverband aber «aus grundsätzlichen Erwägungen aus», wie Verbandschef Thomas Weikert den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte.

«Die Entscheidung des IOC ist ein Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportlerinnen und Sportler», sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Es gebe keinen Grund für eine Rückkehr Russlands in den Weltsport. «Wer den Kriegstreiber Russland internationale Wettbewerbe für seine Propaganda nutzen lässt, der schadet der olympischen Idee von Frieden und Völkerverständigung», ergänzte Faeser.

Auch die Vereinigung Athleten Deutschland reagierte in einer Stellungnahme «enttäuscht von der erwartbaren Empfehlung». Eine Wiederzulassung sei nicht geeignet, die Instrumentalisierung des Sports und der Athleten für Putins Kriegspropaganda zu unterbinden.

Bereits im Februar hatten die Sportminister aus 35 Ländern in einer gemeinsamen Erklärung den weiteren Ausschluss russischer und belarussischer Sportler gefordert. Neben Deutschland hatten auch andere Top-Sportnationen wie Großbritannien, die USA, Australien, Japan und Frankreich diese Haltung unterstützt.

«Wir können friedensstiftend wirken»

Das IOC hatte diese Rufe als unzulässige Einmischung der Politik in die Belange des Sports zuletzt immer wieder scharf zurückgewiesen. «Es ist nicht Sache der Regierungen zu entscheiden, welche Athleten an welchen internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen», hieß es in einem IOC-Statement. «Wenn die Politik entscheidet, wer an den Olympischen Spielen teilnehmen darf oder nicht, wäre das das Ende des Sports auf der Welt», bekräftigte Bach.

Aus anderen Teilen der Welt erhält das IOC Rückendeckung für eine Aufhebung des seit Beginn des Krieges geltenden Banns. Vor allem in Afrika, Asien, Südamerika und Ozeanien findet die Rückkehr von Russen und Belarussen viele Befürworter. «Wir können die Tür für einen Dialog öffnen und friedensstiftend wirken», sagte IOC-Boss Bach.

Mit der Vorgabe einer einheitlichen Linie will das IOC laut Bach ein «totales Tohuwabohu» im Weltsport vermeiden. Doch das scheint in der Praxis ziemlich schwierig. Der Leichtathletik-Weltverband verlängerte gerade den Ausschluss von Russen und Belarussen wegen des Krieges. Im Boxen dagegen durften Athletinnen und Athleten aus den beiden Ländern zuletzt bei der Amateur-WM sogar unter ihrer Landesflagge starten und im Falle eines Sieges auch die Nationalhymne hören.

Fechter protestieren gegen Entscheidung

Eine Zerreißprobe erleben gerade auch die Fechter. Der Weltverband hat mit großer Mehrheit die Zulassung von Russen und Belarussen für die Olympia-Qualifikation beschlossen. Mehr als 300 aktive und ehemalige Fechter sprachen sich in einem Brief gegen diesen Schritt aus. Mehrere Länder, darunter auch Deutschland, traten als Gastgeber von internationalen Veranstaltungen zurück.

Das IOC hatte auch damit argumentiert, dass ein Ausschluss von Russen und Belarussen aufgrund ihrer Nationalität eine Diskriminierung darstellen würde. Dabei berief sich das IOC auch auf die Feststellung von zwei UN-Expertinnen.

Ein vom DOSB in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zu einer menschenrechtlichen Abwägung widersprach indes der IOC-Linie. Demnach wäre ein Ausschluss russischer Sportler trotz der Ungleichbehandlung aufgrund von Nationalität «nicht als Verstoß gegen internationale Diskriminierungsverbote zu klassifizieren und somit zulässig».

Christian Hollmann und Andreas Schirmer, dpa

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