Lufthansa-Chef Carsten Spohr (l) bleibt an Bord, Finanzchef Remco Steenbergen (r) verlässt das Unternehmen dagegen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andreas Arnold/dpa)

So viel Umbau gab es noch nie im Lufthansa-Konzern: Gleich vier von sechs Vorstandmitgliedern sollen in den kommenden Monaten gehen, der Vorstand wird um einen Posten verkleinert, und nach einem neuen Finanzchef oder einer neuen Chefin wird erst noch gesucht.

Das klingt nach Mega-Krise bei Europas umsatzstärkster Airline-Gruppe, ist aber letztlich aus ökonomischen Umständen und persönlichen Entscheidungen erklärbar. Denn geschäftlich geht es dem Kranich-Konzern nach überwundener Corona-Krise so gut wie lange nicht. Hohe Ticketpreise und ausgebuchte Flugzeuge haben dazu geführt, dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr am 7. März erneut einen der höchsten Gewinne in der Unternehmensgeschichte präsentieren kann.

Der Aufsichtsrat unter Führung des einstigen Lufthansa-Finanzchefs Karl-Ludwig Kley hat beim Vorstandsumbau den klaren Schnitt gewählt, statt die vier scheidenden Manager im Monatstakt zu verabschieden. Überraschend kam vor allem der Abschied des erst vor drei Jahren aus der Schweiz angeheuerten und fachlich unangefochtenen Finanzchefs Remco Steenbergen, den es dem Vernehmen nach zu einem anderen, höher bezahlten Job zieht.

Mit Christina Foerster geht auch die einzige Frau im Vorstand

Turnusgemäß enden hingegen Ende Juni die Amtszeiten des Lufthansa-Urgesteins Harry Hohmeister, bislang zuständig für «Globale Märkte und Netzmanagement», und des früheren McKinsey-Beraters Detlef Kayser, Vorstand für «Flotte und Technologie». Beide sind nah an der Altersgrenze von 60 Jahren, über der nach ungeschriebenen Konzern-Usancen eigentlich kein Vorstandsmitglied mehr tätig sein soll.

Dass mit Christina Foerster auch die einzige Frau des Gremiums «im beiderseitigen Einvernehmen» geht, dürfte mit den gehäuften Negativ-Erfahrungen der Kunden auf Lufthansa-Flügen zu tun haben. Die von ihr verantwortete «Customer Experience» wurde während und nach der Corona-Krise auf harte Belastungsproben gestellt – durch dauerbesetzte Hotlines, Flugausfälle, veraltete Kabinenausstattung und IT-Schwierigkeiten. Foerster sei zwar nicht allein für das Service-Desaster verantwortlich, habe es aber auch nicht geschafft, entsprechende Kompetenzen an sich zu ziehen, sagen Lufthansa-Insider. In Sachen Nachhaltigkeit hat die Managerin mit den «Green Fares» hingegen die branchenweit beachteten Umwelttickets geliefert.

Swiss-Chef Vranckx und Ex-Airbus-Managerin Vittadini kommen

Bereits begonnen hat die Suche nach einem neuen Finanzchef, denn Steenbergen geht bereits zum 7. Mai. Kommissarisch übernimmt Personalvorstand Michael Niggemann die Finanzen, der als einziger neben Spohr im Konzern-Vorstand bleibt. Bis dahin gehört es zu den vordringlichen Aufgaben des 49 Jahre alten Juristen, die zahlreichen Tarifkonflikte im Konzern und die damit verbundene Dauer-Streikgefahr abzuräumen. Am Donnerstag ist mit der eingeleiteten Urabstimmung der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo eine weitere Baustelle hinzugekommen.

Als neue Vorstandmitglieder mit viel internationaler Erfahrung benannte der Aufsichtsrat den Chef der Muster-Tochter Swiss, Dieter Vranckx, sowie die frühere Airbus-und Rolls-Royce-Managerin Grazia Vittadini. Die Luftfahrt-Ingenieurin gilt als Vertraute des aufstrebenden Lufthansa-Aufsichtsrats Tom Enders und soll als Technikchefin das Ressort «Technik und IT» übernehmen. Ihre Aufgabe zur Harmonisierung der konzernweiten IT gilt wegen der zahlreichen unterschiedlichen Systeme als «Höllenjob», der mit der geplanten, aber bislang nicht von der EU genehmigten Übernahme der italienischen ITA noch ein Stückchen komplizierter werden dürfte.

Spohrs Vertrag läuft bis 2028

Der Aufsichtsrat fordert für die Zukunft erstaunlich offen von seinem Spitzenpersonal mehr Zusammenarbeit und Harmonie ein: «Die Interaktion mit unseren Kunden, Investoren, Partnern, aber auch die Zusammenarbeit innerhalb der Lufthansa Gruppe verlangen mehr denn je ein ausgeprägtes Teamverständnis.» Das dürfte dann auch an die Adresse von Konzernchef Spohr gehen, der noch einen Vertrag bis 2028 hat und bis dahin einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin aufbauen soll.

Von Christian Ebner, dpa

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