Bund peilt flächendeckende Handynetze an
Mit der Deutschen Telekom, O2 Telefónica und Vodafone gibt es drei etablierte Netzbetreiber und mit 1&1 seit kurzem auch eine Nummer vier. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Büttner/dpa)

Deutschlands Handynetze sollen besser werden. Hierfür möchte die Bundesnetzagentur Ausbauregeln festlegen, die der Behördenpräsident Klaus Müller am Montag in einer Entwurfsfassung vorstellte. Dem Regelwerk kommt eine wegweisende Bedeutung zu für die künftige Qualität des Mobilfunks in Deutschland. Ein Überblick. 

Worum geht es?

Alle vier bis fünf Jahre versteigert der Bund Nutzungsrechte für verschiedene Frequenzbänder, die für ein gutes Handynetz elementar wichtig sind. Das spült dem Bund Milliarden in die Kasse, 2019 waren es rund 6,5 Milliarden Euro für eine etwa zwanzigjährige Nutzung. Bei der ersten großen Auktion im Jahr 2000 waren es sogar mehr als 50 Milliarden Euro. Dieses Jahr sollte eigentlich wieder versteigert werden, Anfang 2026 werden wichtige Frequenzen frei. Doch diese Auktion soll nun ausfallen.

Stattdessen werden die Nutzungsrechte um fünf Jahre verlängert. In einigen Jahren soll es doch wieder zu einer Auktion kommen, bei denen andere Frequenzen einbezogen werden. Bei der Verlängerung sollen die Netzbetreiber nur relativ niedrige Gebühren zahlen – bei fünf Jahren wären das rund 600 Millionen Euro insgesamt. Im Vergleich zu den Auktionskosten 2019 sind die Gebühren also grob gesagt ein Drittel niedriger.

Warum verzichtet der Bund auf Milliarden?

Mit der Deutschen Telekom, O2 Telefónica und Vodafone gibt es drei etablierte Netzbetreiber in Deutschland und mit 1&1 seit Kurzem auch eine Nummer vier. Die Firma aus Montabaur baut ihr noch sehr kleines Handynetz schrittweise aus. Dort, wo sie noch keine eigenen Antennen hat – also in den allermeisten Gegenden Deutschlands – werden die Kunden noch mit dem O2-Netz verbunden und bald mit dem Vodafone-Netz. 1&1 wollte an einer neuen Auktion teilnehmen, um sich weitere Frequenzblöcke zu sichern. Aber dieses Mal werden nicht genug Frequenzen frei, um den Bedarf von vier und nicht nur von drei Firmen zu decken. Daher entschied sich die Behörde gegen die Auktion und für die Verlängerung.

Warum ist das Regelwerk wichtig für Verbraucher?

Wenn die Nutzungsrechte verlängert werden, müssen sich die Netzbetreiber zur Einhaltung von Auflagen verpflichten. Damit möchte der Staat sicherstellen, dass eine flächendeckende Versorgung allmählich Realität wird und die Telekommunikationsfirmen nicht nur da bauen, wo der meiste Datenverkehr ist und es sich wirtschaftlich lohnt.

Welche Auflagen sind vorgesehen?

Anfang 2030 soll jeder Netzbetreiber 99,5 Prozent der Fläche Deutschlands mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde versorgen müssen. Aktuell liegt der Wert laut Bundesnetzagentur im Schnitt bei etwas unter 99 Prozent. Also gibt es wirklich nur auf gut einem Prozent der Fläche mieses Handynetz? Was klingt, als wäre es zu schön, um wahr zu sein, sorgt selbst in Branchenkreisen für Stirnrunzeln: Tatsächlich existiere auf einer wesentlich größeren Fläche keine ernst zu nehmende Abdeckung, sagt ein Vertreter der Telekommunikationsbranche, der namentlich nicht genannt werden möchte. Je nach Messparametern fielen die Werte unterschiedlich aus – je lascher die Kriterien, desto höher der Abdeckungswert. 

Laut Webseite der Netzagentur deckte die Deutsche Telekom im Januar 91,6 Prozent der Fläche mit 4G-Mobilfunk ab, Vodafone 91,3 Prozent und O2 86,4 Prozent. Klar ist, dass sich die Flächenabdeckung verbessern soll – wie stark, ist aber selbst Branchenvertretern unklar. Andere Vorschriften sollen das Handynetz auf dem Land ebenfalls verbessern, 2029 sollen mindestens 99 Prozent der Haushalte in dünn besiedelten Gegenden einen Handyempfang von mindestens 100 Megabit pro Sekunde haben. Gleiches gilt für alle Bundesstraßen. 

Die Vorgaben gelten für jeden Netzbetreiber und nicht für die Branche insgesamt. Auch dies ist eine gute Nachricht für Verbraucher: Sie sollen sicher sein, dass ihr Anbieter durchgängig gute Verbindung bietet. Bisher gilt nur eine Branchenvorgabe: Ist auf einem Kilometer Bundesstraße nur Anbieter A präsent und auf dem nächsten Kilometer nur Anbieter B, so gilt die derzeitige Versorgungsauflage als erfüllt – obwohl die Kunden von A und B jeweils einen Kilometer lang kein Netz haben. Diese Anrechenbarkeit soll künftig wegfallen. 

Was passiert mit 1&1?

Bei der Verlängerung der Nutzungsrechte bleibt der Netzbetreiber-Neueinsteiger 1&1 außen vor. Mit speziellen Regeln bemüht sich die Behörde aber darum, den daraus entstehenden Nachteil für den Internetkonzern aus Rheinland-Pfalz zu minimieren. So sollen die drei etablierten Netzbetreiber verpflichtet werden, 1&1 «die kooperative Mitnutzung» von Frequenzen mit großer Reichweite zu gewähren. 

Was ist sonst noch strittig?

Ein weiterer Knackpunkt ist die Frage, wie mit Telekommunikationsanbietern ohne eigenes Handynetz verfahren wird. Freenet und andere kleine Wettbewerber pochen hierbei auf eine Pflicht, dass die Netzbetreiber sie auf ihr Netz lassen müssen. Dagegen sträuben sich die Platzhirsche – sie wollen frei entscheiden, ob sie Freenet als Untermieter auf ihr Netz nehmen oder nicht. Den Forderungen von Freenet & Co kam der Regulierer nicht nach, die Netzagentur plant keine solche Verpflichtung. Entsprechend enttäuscht äußerte ein Freenet-Sprecher: Die Behörde verliere eine wirksame Förderung des Wettbewerbs aus den Augen.

Wie sind die Reaktionen?

Aus der Politik kam Zustimmung zu der geplanten Pflicht zur Flächenversorgung. Die etablierten Netzbetreiber reagierten hingegen zurückhaltend – ihnen wäre eine Verlängerung um acht Jahre und nicht nur um fünf Jahre lieber gewesen. Eine Telekom-Sprecherin ärgerte sich darüber, dass der Netzbetreiber-Neueinsteiger 1&1 von der Behörde «protegiert» werde, obwohl er eine wichtige Ausbauauflage deutlich verfehlt habe. Das Bundeskartellamt betonte die Wichtigkeit von wirksamen Maßnahmen, um den Wettbewerb zu fördern – im vergangenen Jahr hatten die Wettbewerbshüter eine mögliche Verlängerung kritisiert.

Wie geht es weiter? 

Behördenchef Müller stellte einen Entscheidungsentwurf vor, den die Firmen, Verbände und Politiker in den kommenden Monaten kommentieren können. Im Herbst soll die finale Entscheidung fallen. Bis dahin sind Änderungen zwar möglich, ein radikaler Kurswechsel gilt aber als unwahrscheinlich. Die nächste Auktion wird möglicherweise im Jahr 2028 erfolgen.

Von Wolf von Dewitz, dpa

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