Der deutsche Sänger Peter Maffay bringt ein neues Album heraus. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa)

Natürlich hat mal wieder Corona Schuld. In diesem Fall ist das Virus aber ausnahmsweise für etwas verantwortlich, das viele freuen dürfte: das neue, diesen Freitag erscheinende Peter-Maffay-Album «So weit … ».

«Wir waren in einer verzwickten Situation», sagt Peter Maffay der Deutschen Presse-Agentur. Die geplante Tour habe abgesagt werden müssen, die Band war in alle Himmelsrichtungen verstreut. Und er, der für seine rastlose Umtriebigkeit berühmte Musiker, war: zum Nichtstun verdammt. «Also was tun?», habe er sich gefragt.

Ein paar Dinge habe er während des Lockdowns im Trockendock seines Red-Rooster-Studio-Komplexes im oberbayerischen Tutzing ausprobiert: ein eigenes TV-Format, einen Podcast, zudem ist er in ein Start-Up eingestiegen. Alles Dinge, die ihm Spaß gemacht hätten – aber nicht viel mehr als eine Notlösung gewesen seien. Also: «Ich habe meine Song-Skizzen rausgeholt und angefangen, daran zu arbeiten.» 

Normalerweise ist jedes Peter-Maffay-Album Resultat eines bandinternen Entstehungs- und Entwicklungsprozesses. Seine getreuen Musiker, mit denen die deutsche Rock-Legende mitunter seit mehr als 40 Jahren zusammenspielt, bringen sich kreativ in die Kompositionen ein – und prägen damit wesentlich die Gangart und den Sound der Alben. Normalerweise. Für sein neues Werk kam dies nicht in Frage: Der eine hing auf den Seychellen fest, der andere auf einer griechischen Insel. Der nächste sei auf einem Segel-Törn, erzählt Maffay. Und der arme Bassist müsse sich weiter von den Folgen eines Unfalls erholen.

Was tun? Natürlich – aus der Not eine Tugend machen. «Das war noch viel mehr», sagt Maffay und schlägt einen fast schon pathetischen Tonfall an, «es war die Verwirklichung eines alten Traumes. Etwas, was ich schon immer machen wollte – wofür ich aber noch nicht den Mumm hatte.» Klingt groß – und ist im Grunde das Gegenteil davon: ein Singer/Songwriter-Album, das mit einem Minimum an Aufwand auskommt.

Ein ganz kleines Team hat Maffay für die Aufnahmen von «So weit … » um sich geschart: den holländischen Multi-Instrumentalisten und ehemaligen Common-Linnets-Musiker J.B. Meiers sowie die Texter Benni Dernhoff und Johannes Oerding. In ein paar arbeitsintensiven Wochen seien elf Songs entstanden.

Im Verlauf des Albums gewährt der Künstler intime Einblicke: Wenn er in dem Song «Jedes Ende wird ein Anfang sein» den Tod seines geliebten Vaters und die Geburt seiner Tochter Anouk thematisiert und dabei vom unentrinnbaren Kreislauf des Lebens erzählt; wenn er in dem Lied «Odyssee» das längst ikonische Bild des ertrunkenen Flüchtling-Kindes in berührende Töne und Worte transformiert oder wenn er im «Lockdown Blues» zu rabiaten Blues-Rock-Klängen seinen Frust über Corona ablädt: mitunter politisch aufgeladen. Dennoch ist «So weit …» ein gefühlsbetontes Album. 

Beispiel: Das kitschfrei für Gänsehaut sorgende Liebeslied «Wir zwei», seiner Lebensgefährtin Hendrikje Balsmeyer gewidmet. Oder «Wenn wir uns wiedersehen» – ein weiterer trauriger und dazu zuversichtlich stimmender Abschiedsgruß an seinen Vater. Und: Ein Musikstück, das ihn forderte: «Bei den Aufnahmen musste ich immer wieder mit meinen Tränen kämpfen», sagt Maffay. «Ich hoffe, dass ich den Song live ohne zu weinen singen kann. Das wird eine echte Herausforderung.»

Eine Herausforderung anderer Art sei der Song «Wann immer» gewesen. Schließlich gibt hier der Gitarrist Maffay den Piano-Mann – eine Premiere in seiner rund 50-jährigen Karriere. «Ich wollte eigentlich, dass J.B. Meiers das einspielt, aber er wollte nicht. Er meinte, das müsse unbedingt ich machen, da es so persönlich sei. Es gehe nicht um Perfektion, sondern um das Gefühl. Er hatte damit total recht. Also habe ich wie blöd geübt, um das hinzubekommen.»

So ist Maffay auf dem sehr getragenen Song also erstmals auf einem Album am Klavier zu erleben – er schlägt sich an den Tasten mehr als wacker. Sicher, er wird einem Billy Joel oder Elton John keine Konkurrenz mehr machen und ein bisschen Studio-Kosmetik war, wie er zugibt, auch notwendig. Nichtsdestotrotz: Der Titel gehört zu den Glanzlichtern des Albums – eines von vielen.

Von Gunther Matejka, dpa

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