Ein solch kostbares Puzzle bekommen die Archäologen des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM) in Mainz nicht oft auf den Tisch.
In fünf Monaten Arbeit hat die Spezialistin des Leibniz-Forschungsinstituts für Archäologie, Katja Broschat, zahllose Scherben eines Funds aus Frankreich zusammengefügt und so das Kunstwerk neu erstehen lassen. Jetzt konnte die RGZM-Generaldirektorin Alexandra Busch das Glasgefäß aus spätrömischer Zeit den französischen Kolleginnen zurückgeben.
«Im Sommer nächsten Jahres werden wir es in einer Ausstellung in Autun erstmals der Öffentlichkeit präsentieren», sagte Carole Fossurier vom Institut National de Recherches Archéologiques Préventives (Inrap). Ein solch vollständig erhaltenes Glas aus der römischen Antike sei zuletzt vor fast 50 Jahren in Montenegro gefunden worden, sagte der RGZM-Bereichsleiter für Restaurierung, Christian Eckmann.
Bis sie geborgen wurden, lagen die Glassplitter zu Füßen eines toten Menschen in einem Sarkophag, auf einem Friedhof in der Nähe der burgundischen Stadt Autun, dem antiken Augustodonum. Das Feld von 230 Gräbern wurde ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. genutzt. Das Diatretglas – so werden doppelwandige Gefäße mit durchbrochenem Glas bezeichnet – gehörte einst zu den wertvollsten Luxusgütern der römischen Elite. Ein kunstvoll gestalteter Buchstabenbogen auf dem restaurierten Gefäß ergibt den Spruch: «Vivas feliciter» – Lebe glücklich!
Die Inschrift – mit dem ungewöhnlichen Detail eines fehlerhaften Buchstabens C – ist eine der Spuren zu den vielen noch offenen Fragen, die das Objekt der Archäologie stellt. «Welche Funktion hatte der Becher?», nennt Eckmann als eine der wichtigsten Fragen. Das Objekt könnte ein Trinkgefäß oder auch eine Lampe gewesen sein – «für beides haben wir Hinweise».
Rätsel geben auch Spuren zum Inhalt des Gefäßes und die Bildsprache der Schale mit einem Durchmesser von etwa 15 Zentimetern auf. Dargestellt sind möglicherweise Weintrauben oder auch ein Fischernetz, beides könnte auf einen Bezug zum christlichen Glauben hinweisen, der in der Spätantike im Burgund langsam Anklang fand. Schließlich ist nicht geklärt, wie solche filigranen Glasobjekte hergestellt wurden – in Form gepresst oder gegossen, oder aus einem gläsernen Körper geschliffen?
Die Erforschung solcher Fragen, so ist Alexandra Busch überzeugt, ist nicht Selbstzweck für Wissenschaftler im Elfenbeinturm. Vielmehr geht es der Archäologie um Antworten darauf, wie Menschen vergangener Zeiten sich als soziale Wesen verstanden haben, wie sie Antworten auf schwierige Herausforderungen gefunden haben – und was dies für uns heute bedeuten kann.