Der Filmregisseur Volker Schlöndorff stellt seinen neuen Film «Waldmacher» vor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa)

Volker Schlöndorff (82) gehört zu den erfolgreichsten deutschen Regisseuren. Für seinen neuen Film ist er mit dem Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo nach Westafrika gereist.

Über die Dokumentation «Waldmacher» soll auch am Rande des Klimagipfels in Schottland (31. Oktober bis 12. November) gesprochen werden, auf dem Global Landscapes Forum. Ein Anruf in Potsdam.

Frage: Herr Schlöndorff, mit welchem Gefühl schauen Sie auf den Klimawandel?

Antwort: Tony Rinaudo hat mich gelehrt, ein bisschen hoffnungsvoller in die Welt zu schauen. Er ist überzeugt, dass Wandel möglich ist, dass nichts verloren ist, dass wir noch sehr viel gut machen können. Und nach drei Jahren Arbeit mit ihm muss ich sagen: Er hat Recht.

Frage: Das wird aber auch eine neue Bundesregierung erst noch zeigen müssen. Wie bewerten Sie eigentlich das Ergebnis der Bundestagswahl?

Antwort: Auch positiv, gerade mit Blick auf mögliche Maßnahmen gegen den Klimawandel. Die Mentalität der Menschheit muss umgestellt werden. Und es ist doch schön, dass es da eine Aufbruchstimmung gibt, auch bei den Jungen, über die man immer sagt, sie seien so unpolitisch. Sie sind vielleicht unpolitisch im ideologischen Sinne, Gott sei Dank. Aber sie sind auch sehr engagiert.

Frage: Weil Sie die jungen Menschen ansprechen: Waren Sie selbst mal auf einer «Fridays for Future»-Demo?

Antwort: Nein, war ich nicht (lacht). Da war mein Freund Jim Rakete für mich, der hat das alles sehr gut gefilmt. Ich weiß nicht, ob Sie seinen Film gesehen haben. So nah hätte ich nie dran sein können.

Frage: Jetzt haben Sie einen Film über Rinaudo gedreht. Der hatte eine Idee, wie man in trockenen Gebieten wieder Bäume wachsen lassen kann. Nämlich indem man Wurzeln nutzt, die schon im Boden sind, und andere Pflanzen dafür zurückschneidet. Was ist das für ein Mensch?

Antwort: Er ist als junger Mann mit seiner Frau von Australien nach Afrika aufgebrochen, weil er ein Buch gelesen hatte über das Elend der Menschen. Und da wollte er helfen. Und dann sind die beiden wie zwei Hippies dort angekommen – hatten Agronomie studiert, ein Kind auf dem Buckel und drei weitere haben sie dann in der Republik Niger im Dorf zur Welt gebracht. Sie haben erstmal zwanzig Jahre mit den Menschen gelebt. Sie sprechen die Sprache fließend und haben angefangen herauszufinden, was man verändern kann. Und das immer mit guter Laune und Ausstrahlung, mit Witz und Bescheidenheit, abenteuerlustig wie Don Quijote und mit tiefer Gläubigkeit wie ein Missionar.

Frage: Missionar und Don Quijote klingt interessant. Gibt es etwas, das Sie persönlich anders machen, seitdem Sie sich kennen?

Antwort: Tony Rinaudo kocht sich jeden Abend im Hotelzimmer das Wasser für den nächsten Tag ab. Weil er keine Plastikflaschen und kein Kunstwasser rumschleppen will. So weit bin ich noch nicht gekommen. Aber ich benutze die Lichtschalter sehr viel fleißiger als früher.

Frage: Jetzt wird der Film Anfang November in Glasgow vorgestellt.

Antwort: Ja. Das ist alles etwas überraschend in den letzten Wochen passiert. Ich bin natürlich sehr froh, denn das ist ja genau das Zielpublikum. Es ist schon ein Film, der Überzeugungsarbeit leisten will. Aber die muss man eben hauptsächlich bei den Politikern leisten und bei Aktivisten.

Frage: Wenn Sie von Überzeugungsarbeit sprechen: Welche Botschaft wollen Sie den Menschen denn mitgeben?

Antwort: Eine andere Sicht auf Afrika. Der Klimawandel ist dabei eine Selbstverständlichkeit – dafür braucht man keine abreißenden Eisberge mehr zu zeigen. Der Film zeigt die Möglichkeiten, was man verändern kann und wo man ansetzen muss. Und das ist eben gerade in Afrika beim Klein-Klein. Es gibt Millionen Kleinbauern in der Sahelzone. Viele Großprojekte sind gescheitert. Es fließen Hunderte Millionen und nach zehn Jahren gibt es weder ein Monitoring noch ein Ergebnis. Bestenfalls schickt man den Menschen, wenn sie am Verhungern sind, Säcke mit Reis. Das ändert aber nichts. Und dabei ist so viel möglich – mit wenig Geld, aber mit viel Anstrengung.

Frage: Der Klimagipfel soll das wichtigste Treffen dieser Art seit Paris 2015 werden, auch US-Präsident Joe Biden hat zugesagt. Fahren Sie auch hin?

Antwort: Nein. Der Teil, an dem ich mit Tony Rinaudo teilnehme, findet nur virtuell über Zoom statt. Gott sei Dank kann der Film dort gezeigt werden und meine Anwesenheit würde da nichts ändern. Ich habe ja das Privileg, dass ich einen Film schicken kann statt meiner.

Frage: Das ist praktisch. Und wann kommt der Film ins Kino?

Antwort: Wir haben den Film für mehrere Festivals angemeldet. Dann soll er ins Kino kommen, auf jeden Fall im Frühjahr 2022. Dafür ist die Sache zu dringend, als dass man lange wartet.

Frage: Sie haben viele Spielfilme gedreht, aber noch keinen so großen Dokumentarfilm, oder?

Antwort: Das ist von den Mitteln her ein sehr bescheidener Film, vom Anspruch her ein großer. Aber ja, so etwas habe ich noch nicht gemacht.

Frage: Und wie war das für Sie?

Antwort: Harte Arbeit.

Interview: Julia Kilian, dpa

Von