Extremismus, Kreuzdebatte, rechter Großspender: Das Humboldt Forum kommt nicht zur Ruhe. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Paul Zinken/dpa)

Das Humboldt Forum hat einen Fehlstart hingelegt. Das aktuell wichtigste Kulturprojekt Deutschlands mit erhofft internationaler Wirkung würde gern überzeugen durch bahnbrechende Ausstellungen oder richtungsweisende Debatten.

Doch das 680 Millionen Euro teure Zentrum für Kunst, Kultur und Wissenschaft hinter der historisierenden Schlossfassade kommt nicht raus aus den negativen Schlagzeilen. Neuer Tiefpunkt für das Forum in Berlins Mitte: Von Großspender Ehrhardt Bödecker wurden antidemokratische Äußerungen bekannt. Nun soll die ihn ehrende Medaille vom teuren Gemäuer verschwinden.

Teilweise rechtsextreme Thesen

Die Familie des 2016 gestorbenen Bödecker bestätigte die Vorwürfe. Er sei bekannt gewesen «als streitbarer Konservativer und Preußen-Enthusiast mit zahlreichen Verdiensten», schreiben Schwiegertochter Elvira Tasbach und Sohn Andreas Bödecker in einer Stellungnahme an die Stiftung Humboldt Forum. Die durch den Kasseler Professor für Architekturtheorie, Philipp Oswalt, bekannt gewordenen Äußerungen seien ihnen aber bisher unbekannt gewesen.

In Schriften und Vorträgen seien «Thesen und Formulierungen enthalten, die falsch und teils sogar rechtsextrem sind», schreibt die Familie. Bödecker habe mitunter in «rechtsextremen Kreisen» veröffentlicht. «Diese Erkenntnis ist schmerzlich und erfüllt uns mit großer Betroffenheit. Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus lehnen wir beide aus tiefer Überzeugung und mit Entschiedenheit ab», betonen Elvira Tasbach und Andreas Bödecker.

Es sollen auch andere Spender überprüft werden

Gleichzeitig verweisen sie auf Verdienste. «Wir wollen der Stiftung Humboldt Forum nicht zumuten, eine Abwägung zu treffen zwischen der anerkannten Lebensleistung eines Förderers und den von ihm an seinem Lebensabend geäußerten, inakzeptablen Thesen.» Das Porträt-Medaillon im Foyer solle deswegen abgenommen werden.

Das Humboldt Forum will nun auch andere Spenden überprüfen. «Aktuell liegen uns keine Anhaltspunkte für vergleichbare Äußerungen von anderen mit Porträtmedaillons gewürdigten Großspender*innen vor», heißt es in einer Stellungnahme für die Deutsche Presse-Agentur. Im Interesse aller Spenderinnen und Spender «werden wir dem aber intern nachgehen». Das Medaillon für Bödecker werde «umgehend» abgenommen – womit auch ein Schreibfehler im Vornamen verschwindet, dort stand Erhardt statt korrekt Ehrhardt.

Das Zentrum konnte nach dem Willen des Bundestages nur entstehen, weil eine private Initiative für die umstrittene Rekonstruktion der Schlossfassade gut 100 Millionen Euro sammelte. Auch die nicht weniger kritisierte Kuppel mit – ursprünglich nicht vorgesehenem – Kreuz ist spendenfinanziert.

Wilhelm von Boddien, auch von der Politik viel gelobter oberster Spendensammler beim «Förderverein Berliner Schloss», sieht es allerdings nicht als seine Aufgabe, nun andere Spenden zu überprüfen. «Ich bin kein Schnüffler», sagte der 79-Jährige der dpa. Es gelte auch bei Spenden die Unschuldsvermutung. Allerdings habe er nicht alle Angebote angenommen. «Bei ganz offensichtlichen Fällen habe ich Spenden auch abgelehnt.»

Wie steht es um die Raubkunst?

Die Spenderdebatte verlängert die Reihe von Problemen, Pannen und Kritikpunkten. Nach mehrfacher Verschiebung der Eröffnung wird der von zwei Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Land Berlin, Humboldt-Universität und Stiftung Humboldt Forum genutzte Bau seit Ende 2020 in mehreren Etappen aufgesperrt. Erst Mitte 2022 werden alle rund 40 000 Quadratmeter erschlossen sein.

Dann sind auch die Benin-Bronzen zu sehen. Die Kunstwerke stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des Jahres 1897. Sie stehen im Zentrum der Debatte um Rückgaben. Im kommenden Jahr will Deutschland im ersten Schritt die Eigentumsrechte überschreiben.

Bereits auf vom Ethnologischen Museum genutzten Etagen zu sehen ist ein großes Auslegerboot, das von der Südseeinsel Luf stammt. Der Historiker Götz Aly hat mit seinem Buch «Das Prachtboot» bereits die Debatte befeuert, unter welchen kolonialen Bedingungen das Boot in den Besitz des Museums gelangte. Sein Urteil: «Die Ausstellung ist wirklich skandalös.» Museumsdirektor Lars-Christian Koch räumt Änderungsbedarf ein. «Es sind Fehler passiert, da werden wir auch nachbessern.»

Die Debatten im Humboldt Forum finden unter kritisierten Insignien statt. Seit Öffnung der Dachterrasse ist ein umfassender Blick auf ein umstrittenes Spruchband um die Kuppel möglich. Die Kombination aus mehreren Bibelstellen verlangt die Unterwerfung der gesamten Menschheit unter das Christentum.

Kreuz auf der Kuppel, barocke Fassade und Bibelspruch überschatten die Kolonialismusdebatte. In der Zeit der Hohenzollern wurde das Deutsche Reich zu einer wichtigen Kolonialmacht. Im heutigen Namibia wurden Aufstände von Volksgruppen unter deutschem Befehl brutal niedergeschlagen und etwa 75 000 Herero und Nama getötet.

Kein Gesamtkonzept

Bauverantwortliche argumentieren mit dem politischen Beschluss einer historischen Rekonstruktion. Allerdings hatte das alte Schloss nicht nur eine Kuppel, das Kreuz war nicht Teil des Siegerentwurfs, und beim Bibelspruch will kein Verantwortlicher der Stiftung so recht wissen, wie er wieder auf die Kuppel gekommen ist. «Alle Institutionen im Humboldt Forum distanzieren sich ausdrücklich von dem Allgemeingültigkeits- und Herrschaftsanspruch des Christentums», soll nun auf einem Hinweisschild stehen.

Und was ist mit den Inhalten? Sieben Ausstellungsbereiche sind aktuell zu sehen. Vielen Kritikern fehlt noch das Verbindende im politisch zusammengewürfelten Laden. Die lange Jahre verantwortliche, noch amtierende Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sieht ein anhaltend herausforderndes Thema. «Mir fällt es bislang noch schwer, ein schlüssiges Gesamtkonzept zu erkennen. Von Anfang an war aber klar, dass das schwierig werden würde.»

Von Gerd Roth, dpa

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