Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer (78) sieht im Leben und im Erfolg von Angela Merkel «Feminismus pur».
Was nach dem Ende der 16 Jahre dauernden Ära Merkel für die Gleichberechtigung bleibt, beschreibt Schwarzer im «Spiegel»-Interview so: «Wir gehen wie immer zwei Schritte vor, einen zurück. Sie hat eine Zäsur markiert auf eine Art und Weise, die sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Die Männer können ihn nicht mehr so raushängen lassen, wenn ich das so sagen darf. Die Zeit der Cohibas ist vorbei.» Mit Letzterem spielt Schwarzer auf Zigarren rauchende Politiker wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder an.
Schwarzer sagte weiter, gleichzeitig schlage das Pendel zurück: «Auf Instagram wird wieder die Frau belohnt, die hübsch dumm aus der knappen Wäsche guckt. Das ist alarmierend. So manche Enkelin der feministischen Pionierinnen fällt wieder in das ganz doofe Weibchenschema von vorgestern zurück.»
Auf die Frage, ob sie in diesem Jahr die Frau (also die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock) wählen werde, sagte Schwarzer: «Ich habe noch nie eine Frau gewählt, nur weil sie eine Frau ist. Aber statt Schröder und Fischer hätte ich damals auch einem Kaninchen meine Stimme gegeben. Zum Glück stand eine intelligente Frau zur Wahl.»
Den Spitznamen «Mutti» für Merkel findet Schwarzer falsch. «Wenn eine keine Mutti ist, dann sie.» Sie sei «eine Mischung aus Mädchen und Kamerad». Merkels Mix sei ein interessanter Weg, weil er jenseits der Klischees verlaufe. «Sie spielt weder das devote Weibchen in High Heels noch den Kerl. Das würde auch nichts nutzen, der echte Mann ist immer der bessere Mann. Irgendwann machen die Jungs wettpissen, und dann kommt frau zu kurz. Von Merkels Stil könnten Frauen also lernen.»