Leon Löwentraut in seiner Ausstellung «Leonismo» im Bayerischen Nationalmuseum. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

An Selbstbewusstsein mangelt es Leon Löwentraut nicht.

«Ich will in den größten Museen der Welt hängen und werde meine diesbezüglichen Ziele voller Elan verfolgen», sagt er der Deutschen Presse-Agentur in München, wo seit diesem Wochenende im Bayerischen Nationalmuseum seine Ausstellung «Leonismo» zu sehen ist – zum ersten Mal in Deutschland nach Stationen auf Mallorca und in Venedig. «Alles, was man sich vorstellen kann, ist auch realisierbar und alles, was ich bislang angekündigt habe, ist auch so eingetreten.»

Löwentraut ist erst 23 – und trotzdem schon seit Jahren im Geschäft. Die einen halten ihn für einen aufstrebenden, talentierten und vielversprechenden Künstler – die anderen nur für aufstrebend, mehr Marketing-Genie als Maler-Genius.

Mehr als 223.000 Follower hat Löwentraut auf Instagram, wo er sich mit Prominenten wie Star-Geiger David Garrett, Rammstein-Frontmann Till Lindemann oder Kanzlerin Angela Merkel zeigt, in altmodisch anmutenden, zweireihigen Anzügen, breitbeinig vor weißen Yachten, in ernsten Model-Posen, malend in seinem Atelier.

«Instagram ist für mich tatsächlich im Moment eine Plattform, mit der ich mich viel beschäftige – einfach um das zu präsentieren, was ich mache», sagt er. Es gelinge ihm, junge Leute für Kunst zu interessieren, «weil er die gleiche Sprache spricht wie sie», sagt Manfred Möller, Kurator der «Leonismo»-Ausstellung. Löwentraut habe «in kurzer Zeit eine Stimme in der kontemporären Kunstszene bekommen und es ist ihm gelungen, eine neue Generation überhaupt erst für Kunst zu begeistern. Die jungen Kunstfans folgen ihm auf Facebook und Instagram, besuchen seine Ausstellungen und sammeln seine Werke.» Das Magazin «Forbes» nahm ihn dieses Jahr in die Liste der 30 wichtigsten Personen aus dem deutschsprachigen Raum unter 30 Jahren auf.

Der Chef des renommierten Münchner Auktionshauses Ketterer, Robert Ketterer, spricht vom «Phänomen Löwentraut». «Für mich ist das ein Phänomen, das ich schon länger mit etwas zwischen Schmunzeln und Verwunderung beobachte», sagt er. Eine «sehr kommerzielle Kunst» sieht er. «Er malt einfach drauf los und versucht, einen Stil zu finden, von dem er glaubt, dass der ankommt, einen Stil, der sich an den Zielgruppen orientiert und nicht aus dem persönlichen Ich kommt», sagt Ketterer.

Aus seiner Sicht gibt es auf dem Kunstmarkt keine große Nachfrage nach seiner Kunst: «Es gibt wahrscheinlich auch einen ganz guten Grund, warum er im internationalen Kunstmarkt keine Rolle spielt.» Die wenigen Bilder, die es inzwischen auf dem Auktionsmarkt gebe, seien für deutlich weniger Geld weggegangen als zuvor geschätzt, sagt Ketterer. Löwentrauts «Menschenmasken» aus dem Jahr 2015 kamen 2018 beim Münchner Auktionshaus Neumeister für 22.860 Euro (inklusive Käuferaufgeld) unter den Hammer. Das Auktionshaus schätzte vorher den Wert auf 30.000 bis 50.000 Euro, wie auf seiner Homepage zu lesen ist.

Dem tritt Löwentraut entgegen und lässt über seinen Rechtsanwalt Oliver Duys in einem Schreiben an die Deutsche Presse-Agentur (dpa) mitteilen, dass er selbst den Wert des Bildes «Menschenmasken» vor der Auktion auf 12.000 bis 12.500 Euro geschätzt habe. Das Werk habe damit einen deutlich höheren Verkaufspreis erzielt und eine Wertsteigerung erfahren. In einer früheren Version dieses Textes war die Erwiderung Löwentrauts zur Einschätzung Ketterers über die Auktionserlöse nicht enthalten, weshalb der Eindruck entstehen konnte, diese seien unwidersprochen. Dies trifft aber nicht zu.

Löwentrauts bunte, farbenfrohe, oft großformatige Bilder, auf die er die Farbe meist direkt aus der Tube drückt, erinnern irgendwie an Pablo Picasso, Jean-Michel Basquiat und Jackson Pollock. Löwentraut nennt «Menschen, Figuren, Masken und Silhouetten» seine Spezialitäten. An den Fotos, die von Pollock aus dessen Atelier bekannt sind, scheint Löwentraut sich ebenfalls zu orientieren, wenn er sich auf Instagram präsentiert.

«Ich finde es, ehrlich gesagt, manchmal schwierig, wie Galeristen über junge Künstler sprechen», sagt Löwentraut. «Wie viele Bilder haben diese Galeristen denn schon gemalt? Wissen die wirklich, wie es ist, im Atelier zu sein? Das ist alles auch eine extremste Anstrengung. Ein Künstler ist ja als Künstler geboren und hat keine andere Möglichkeit, als Künstler zu sein und sich mit der Kunst und dem Leben auseinanderzusetzen.»

Der Kunstökonom Roman Kräussl wirft einen ganz anderen Blick auf das «Phänomen Löwentraut»: «Eigentlich macht er zur Zeit alles richtig, pure reine Popkultur», sagt der Professor, der an den Universitäten Luxemburg und in Stanford lehrt und forscht. «Leon ist sehr angesagt, auch weil solche jungen kommerziell erfolgreichen Künstler in Deutschland äußerst rar sind. Seinesgleichen gibt es überall sonst.»

Als Löwentraut mit nur 16 Jahren in Stefan Raabs Sendung «TV Total» auftrat, sei das bereits goldrichtig gewesen. «Danach ging er aus der Kaiserslauterner Provinz eben nicht nach Berlin, Hamburg oder München, sondern – wie es sich seit jeher für gut ausgebildete deutsche Künstler gehört – nach Düsseldorf.» Dort wurde Löwentraut von der Kunstakademie abgelehnt, inzwischen hat er dort aber eines seiner beiden Ateliers.

«Löwentraut erscheint den jungen Kunstinteressierten sympathisch, er vermarktet sich via Instagram nicht als der neue Gerhard Richter und er fällt auch nicht mit irgendwelchen anzüglichen Kommentaren über weibliche Künstlerinnen auf.» Die Projekte, für die er sich engagiert, seien sorgfältig ausgewählt – wie zuletzt die #Art4GlobalGoals, für die er 17 Bilder gemalt hat im Rahmen der 17 Ziele der nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen. «Bislang bietet er wenig öffentliche Angriffsfläche – und das ist Sammlern wichtig», sagt Kräussl.

Der Kunstmarktexperte sieht gute Chancen für Löwentraut, gerade außerhalb von Deutschland, insbesondere in Amsterdam, Kopenhagen und London – «in Kunstszenen, die jünger, dynamischer und auch dem finanziellen Aspekt von Kunst gegenüber aufgeschlossener sind».

In Deutschland sei dieser Aspekt des Sammelns von Kunst, insbesondere von jungen Künstlern, noch immer verpönt, sagt Kräussl – anders als in internationalen Metropolen. «Löwentraut malt gut und spannend, und ich persönlich freue mich, dass wir diesen Künstler in Deutschland haben. Löwentraut ist in Deutschland vielleicht schon eine kleine Mini-Brand, aber international noch nicht sehr bekannt.»

Dies könne sich aber durchaus zeitnah ändern. «Löwentraut bietet ja interessante Arbeiten», sagt Kräussl. «Findet er eine erfahrene, gut vernetzte Galerie, glaube ich durchaus an sein internationales Marktpotenzial.»

(HINWEIS: Berichtigung des Porträts vom 29. August. Die neue Fassung enthält eine Einordnung des Wertes des Bildes «Menschenmasken».)

Von Britta Schultejans, dpa

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