Angst vor «Minenfeld»: Timms Überwindung im Turn-Skandal
Für Michelle Timm ist der Umgang mit dem Turn-Skandal von Stuttgart eine emotionale Herausforderung. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marijan Murat/dpa)

Der Umgang mit dem Missbrauchsskandal von Stuttgart ist für Michelle Timm weiter eine emotionale Herausforderung. «Ich habe schon noch öfter ein ungutes Gefühl, wenn ich in die Halle komme», sagte die frühere Auswahlturnerin der Deutschen Presse-Agentur. «In die Geschäftsstelle gehe ich ohne Bedenken. Aber vor dem Training habe ich manchmal die Sorge, dass ich mir wieder von irgendwem irgendwas anhören muss.»

Kanzlei soll Vorwürfe untersuchen

Timm hatte als eine von mehreren Turnerinnen vor dem Jahreswechsel schwere Vorwürfe gegen die Arbeit am Bundesstützpunkt in Stuttgart erhoben. Kritisiert wurden unter anderem «systematischer körperlicher und mentaler Missbrauch» sowie katastrophale Umstände. 

Der Deutsche Turner-Bund (DTB) und der Schwäbische Turnerbund (STB) sind mit der Aufklärung beschäftigt – dazu wurde eine Kanzlei aus Frankfurt am Main herangezogen. Zwei Übungsleiter sind von ihrer Tätigkeit im Stuttgarter Kunstturnforum freigestellt worden.

Auch an der Arbeit am Stützpunkt in Mannheim hatte es zuletzt heftige Kritik gegeben. Unter anderem waren von ehemaligen Sportlerinnen dort harsche und autoritäre Trainingsmethoden angeprangert worden.

«Von einigen Leuten gekonnt ignoriert»

Die langjährige deutsche Spitzenturnerin Timm ist selbst beim STB angestellt. Unter anderem trainiert sie in Stuttgart Nachwuchsturner im Alter von sieben bis neun Jahren. Nach der Weihnachtspause habe sie erst etwas verspätet wieder das Training aufgenommen, berichtete sie. Zum einen habe sie klären wollen, dass ihre öffentlichen Vorwürfe keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen für sie haben. Zum anderen sei sie sich nicht sicher gewesen, wie sie in der Halle empfangen werden würde.

«Ich hatte schon etwas Angst, ein Minenfeld zu betreten. Ganz so schlimm war es aber nicht», sagte Timm. Insgesamt seien die Reaktionen auf ihr öffentliches Statement bisher gemischt ausgefallen, so die 27-Jährige. «Von einigen Leuten wird man gekonnt ignoriert. Es gab auch ein paar persönliche Enttäuschungen. Einige sprechen einen aber auch gezielt an und sagen, dass alles okay ist.»

In den sozialen Medien habe sie fast durchweg positive Rückmeldungen erhalten, erklärte Timm. Negative Kommentare seien höchstens mal unter einem fremden Beitrag, aber nicht bei ihr persönlich gelandet. Die Arbeit mit den jungen Nachwuchsturnern selbst mache ihr nach wie vor großen Spaß.

Schritt an die Öffentlichkeit «notwendig»

Kurz vor Timm hatte zunächst Ex-Turnerin Tabea Alt öffentliche Vorwürfe erhoben. «Nachdem wir lange versucht hatten, die Dinge intern zu regeln, war mir in diesem Moment gleich klar, dass ich nachziehen möchte», erklärte Timm. Seitdem habe sie schon «ein paarmal darüber nachgedacht, ob es richtig war», meinte sie: «Es ist ein innerer Zwiespalt. Aber ich glaube, es war notwendig.»

Zum aktuellen Stand der Aufklärung wolle sie sich derzeit nicht näher äußern, sagte Timm. «Ich hoffe einfach nur, dass DTB und STB die Situation ernst nehmen und wirklich alles dafür tun, die Missstände zu beheben.»

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