Bundestrainer Alfred Gislason starrte mit verschränkten Armen ins Leere. Während die deutschen Handballer sich zumindest verhalten abklatschten, brauchte der Coach nach dem Ende des WM-Traums erst mal einen Moment für sich.
Nach der am Ende deutlichen 28:35 (16:16)-Niederlage im Viertelfinale gegen Olympiasieger Frankreich kämpft die junge deutsche Mannschaft nun nur noch um die Plätze fünf bis acht.
«In der zweiten Halbzeit, muss man ganz ehrlich sagen, geht uns ein bisschen die Luft aus im Angriff», sagte Gislason im ZDF. «Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass wir aufgegeben haben, im Gegenteil: Wir haben weitergemacht, aber wir haben einfach schlecht geworfen.» Auch Kapitän Johannes Golla war enttäuscht. «Erst mal ist das Ergebnis zu hoch. Es war ein großer Kampf von uns», sagte der Kreisläufer, der auch die Chancenverwertung letztlich als großes Manko ansah. «Wir nutzen nicht die freien Chancen so, wie man das machen muss, wenn man ein Halbfinale erreichen will.»
Golla mit sechs Toren bester Werfer
Damit muss die DHB-Auswahl weiter auf das erste Edelmetall bei einer Weltmeisterschaft seit dem Gold-Triumph vor 16 Jahren warten. Weil am Ende gegen die Franzosen genau das geschah, was gegen eine solche Mannschaft nicht passieren darf: zu viele Fehler. Die trotz der Niederlage überzeugende WM-Reise der jungen Mannschaft, für die Golla mit sechs Toren bester Werfer war, geht am Freitag in Stockholm mit dem Duell gegen Afrikameister Ägypten weiter.
Dass die deutsche Mannschaft nur als Außenseiter in dieses Spiel gegen Frankreich ging, war schon vorher klar. Frankreich ist Rekord-Weltmeister, Olympiasieger und hatte schon zuvor alle Spiele bei dieser WM gewonnen. Die Rollen waren vor rund 5500 Zuschauern in Danzig also klar verteilt. Nur: Das sah man auf dem Spielfeld erstmal nicht. Weil die DHB-Auswahl einen herausragenden Start in die Partie hinlegte.
Wolff im Tor von Beginn an stark
Das lag unter anderem daran, dass Andreas Wolff im Tor von Beginn an eine starke Leistung zeigte. Der 31-Jährige hatte beim Turnier in Polen und Schweden schon in den Spielen zuvor überragt, und er bestätigte seine Ausnahmeverfassung auch gegen die Franzosen. Wolff parierte etliche Würfe des Gegners, was die Grundlage des deutschen Spiels war.
In der 16. Minute führte die DHB-Auswahl sogar mit vier Toren (11:7) – und Frankreichs Trainer Guillaume Gille nahm die erste Auszeit. Ob es Dika Mem, Nedim Remili oder Altstar Nikola Karabatic ist: Gille hat etliche Ausnahmehandballer in seinem Kader. Wozu die Franzosen in Abwehr und Angriff fähig sind, zeigten sie auch gegen die Deutschen. Aber die hielten dagegen.
Zumindest lange. Erst in der Schlussphase erlaubte sich das DHB-Team eine längere Schwächephase, die Frankreich gnadenlos ausnutzte. Kurz nach der ersten französischen Auszeit hatten schon technische Fehler das deutsche Spiel erstmals geprägt: Innerhalb von rund drei Minuten egalisierte der Olympiasieger so die anfangs klare deutsche Führung.
Packendes Duell mit hohem Tempo
Es entwickelte sich zunächst ein packendes Duell mit einem irren Tempo. Beide Mannschaften spielten auf Angriff, und sie taten das, ohne Zeit zu verlieren. Wenn Deutschland gerade nicht in der Offensive war, waren es die Franzosen. Es ging hin und her. Und es blieb eng.
«Ein absolut rassiges Spiel mit einem Riesentempo und Riesenherz von beiden Seiten», sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer zur Pause. «Gegen den Olympiasieger zur Halbzeit noch alle Siegchancen zu haben, ist sicherlich eine tolle Sache.»
Erstaunlich war wieder, wie der gerade mal 22-jährige Juri Knorr agierte. Der Jüngste im deutschen Team dirigierte auch gegen diesen Weltklasse-Gegner die Angriffe der DHB-Auswahl. Dazu verwandelte er noch fast jeden seiner Würfe. Im Angriff Knorr und Wolff im Tor: dieses Duo hatte die DHB-Auswahl mit ihren starken Leistungen schon vorab durch das Turnier getragen.
Aber diesmal reichte das nicht. Weil in der Schlussphase genau das passierte, was schon gegen Ende der zweiten Halbzeit passierte: zu viele technische Fehler. Und die nutzte dasTeam aus der Weltspitze gnadenlos aus.