Der Schriftsteller und Philosoph Rüdiger Safranski ist mit biografischen Werken unter anderem zu Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin und E.T.A. Hoffmann hervorgetreten. Nun widmet er sich mit Franz Kafka einer anderen wichtigen Größe der deutschsprachigen Literatur. In den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt er dabei die Frage, was das Schreiben für den Prager Schriftsteller jüdischer Herkunft bedeutete. Ohne zu viel vorwegzunehmen, kann man sagen: Es war alles für ihn. «Kafka. Um sein Leben schreiben» ist im Hanser-Verlag in München erschienen.
«Kafka fühlt sich am lebendigsten, wenn er sich dem unvorhersehbaren und auch unkontrollierbaren Schreibprozess überlassen kann», meint Safranski. Er lasse sich treiben in die labyrinthischen Welten der Kanzleien und Dachstuben im «Prozess» oder in die ausufernden Geschichten, Abzweigungen und Umleitungen im «Schloss». Erst ein Exposé vorzulegen, wie es im heutigen Literaturbetrieb vielleicht üblich wäre, war Kafkas Sache nicht.
Safranski verwebt, mitunter mit ironischem Abstand, geschickt Auszüge aus Kafkas Werken mit Einträgen aus seinem Tagebuch. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Frauen, die Kafka mal anzogen, mal umkreisten, mal abstießen. Zum Schreiben brauchte er die Einsamkeit: «Oft dachte ich schon daran, dass es die beste Lebensweise für mich wäre, mit Schreibzeug und einer Lampe im innersten Raum eines ausgedehnten, abgesperrten Kellers zu sein», notierte er selbst.
Anlass der Monografie ist der bevorstehende 100. Todestag Kafkas am 3. Juni. Er starb nach einem ungemein produktiven Leben im Alter von nur 40 Jahren im österreichischen Kierling an Tuberkulose. Das erste wirksame Antibiotikum gegen die bis dahin unheilbare Krankheit wurde erst einige Jahre später entdeckt. Doch wie Safranski zu Recht bemerkt, ist die Erinnerung an Kafka und sein Nachleben in seinen Schriften «lauter und lebendiger, als er in seinem Leben je war».