Bjarne Mädel spielt in dem Film «Geliefert» einen Paketboten. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Felix Hörhager/dpa)

Treppauf, treppab – für den Film «Geliefert» musste Bjarne Mädel fit sein. Er spielt darin einen Vater, der mit seinem Sohn bei Regensburg lebt und sich als Paketbote gerade so durchschlägt.

Von einem Zweitjob erhofft er sich mehr Geld, doch damit fangen die Probleme erst richtig an. Zu sehen ist das am Mittwoch um 20.15 Uhr im Ersten. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt Mädel, wie sich die Rolle angefühlt hat.

Frage: Das waren sehr viele Treppen, die Sie im Film als Paketbote steigen mussten.

Antwort: Es gehört zu diesem Beruf, dass man Sachen liefern muss. Und eben oft auch an Leute, die keine Lust haben, die Sachen selber die Stockwerke hoch zu schleppen. Einige bestellen ja eben auch genau aus diesem Grund.

Frage: Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Antwort: Ich konnte da auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Als Student habe ich Pakete ausgefahren, um Geld zu verdienen und kann mich gut an den permanenten Zeitdruck erinnern. Der Druck, alles loszuwerden, bestimmt den Tag. Man packt das Auto früh morgens voll und eine Erleichterung stellt sich dann erst am Nachmittag ein, wenn man irgendwann die Rückwand sehen kann. Dann weiß man, man schafft es vielleicht, alles zu liefern.

Frage: Und wenn nicht?

Antwort: Richtig schlimm ist es, wenn man es eben nicht schafft und Sachen wieder mitnehmen muss und weiß, das kommt dann morgen noch obendrauf. Man hat oft wirklich nicht mal Zeit, etwas zu essen oder auf die Toilette zu gehen, so dass man dann wirklich als Fahrer in die Flasche pinkelt, um Zeit zu sparen. Das ist Realität. Leider.

Frage: Wie reagieren die Leute auf Paketboten ihrer Erfahrung nach?

Antwort: Da ist jeder sehr egoistisch mit seiner eigenen Bestellung beschäftigt und ärgert sich, wenn die zu spät kommt oder wenn er was dringend braucht, was eigentlich schon gestern hätte da sein müssen. Dann wird natürlich der Bote beschimpft, aber der kann in der Regel am wenigsten für verspätete Lieferungen. Paketbote ist eine ziemliche Buckelei und ein anstrengender Job. Ich finde es schön, dass unser Film den Fokus mal auf diese Berufsgruppe lenkt. Die Sachen, die man bestellt und dann nicht selber schleppen muss, die gehen dann eben auf irgendeinen anderen Rücken. Ich finde gut, dass einem das bewusst gemacht wird.

Frage: Können Sie nach diesem Film noch guten Gewissens bestellen?

Antwort: Ich habe vorher schon sehr ungern Sachen bestellt. Ich neige nicht so zum Konsum. Während der Pandemie habe ich gehofft, dass wir alle darüber nachdenken, was wirklich wichtig ist, was wir wirklich brauchen. Aber es wurde ja mehr bestellt und eingekauft als zuvor. Ich versuche, es zu vermeiden und eher in kleinere Läden zu gehen, wenn mir etwas fehlt. Aber manchmal komme ich nicht drumherum, weil man manche Dinge wirklich nur über einen Bestelldienst bekommt.

Frage: Wie hat sich das angefühlt, Volker zu sein?

Antwort: Ich sag mal, modisch…schwierig. Kostümtechnisch war bei meinen Rollen in den letzten Jahren wenig dabei, was mich privat interessiert hätte. Auch bei «Geliefert» war es wieder ganz schlimm, wie Volker so rumläuft. Und der Schnurrbart – ich war froh, dass ich den hinterher abnehmen konnte. Wir haben auch die Augenbrauen bewusst nicht geschnitten, damit sie möglichst buschig sind. Volker ist kein Mensch, der sich um Äußerlichkeiten kümmert. Er hat dafür nicht die Zeit oder die Nerven.

Frage: Was ist das für ein Gefühl, so rumzulaufen?

Antwort: Ich vergesse teilweise, wie ich aussehe. Ich habe ja schon jahrelang den Tatortreiniger mit so einem fiesen Schnurrbart gespielt und mit Zopf. Das sind oft sehr unvorteilhafte Sachen, die ich mir so frisieren lasse. Aber ich verwandele mich eben gern als Schauspieler. Da muss ich dann ein paar Wochen lang durch. Meine Freundin ist der Meinung, dass sie Schmerzensgeld verdient hätte.

Frage: Der Film macht klar, dass es sich viele Menschen nicht einfach leisten können, ins Restaurant zu gehen oder in den Urlaub zu fahren.

Antwort: Ja, für einige sind bestimmte Dinge Normalität, die für andere unerschwinglich sind. Ich gehe auch gern mal ins Restaurant und spar‘ mir den Abwasch und das Kochen. In Berlin ist das im Vergleich zu anderen Großstädten auch nicht so teuer. Für mich in meiner Realität ist das noch kein Luxus. Für andere aber eben schon.

Frage: Wie soll man sich da verhalten?

Antworten: Man sollte so etwas wie Essengehen – in dem Wissen, dass das nicht für alle selbstverständlich ist – umso mehr wertschätzen. Es gibt Sachen, die wir hier in Deutschland nicht hinterfragen, weil wir sie als «normal» empfinden. Daran denke ich oft, wenn ich mich unter die Dusche stelle. Ich freue mich darüber, dass da frisches Wasser aus der Wand kommt. Das ist doch eigentlich Wahnsinn. Und dieses Glück haben nicht alle Menschen auf der Welt. Nach UN-Angaben fehlen 4,2 Milliarden Menschen saubere Sanitäranlagen und 2,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser, obwohl das seit zehn Jahren als Menschenrecht anerkannt wurde. Und wenn man sich das bewusst macht, dann, finde ich, ist Demut angebracht.

Frage: Wie sieht diese Demut für Sie aus?

Antwort: Man sollte sich zum Beispiel nicht ständig ärgern, wenn etwas nicht funktioniert, sondern sich freuen, dass vieles klappt. Das fand ich in der Pandemie bemerkenswert. Da hat jemand einen Impfstoff gefunden gegen eine tödliche Krankheit innerhalb von einem Jahr. Und alle nörgeln nur, dass sie nicht in den Urlaub fahren dürfen. Lasst uns doch mal feiern, dass einige von uns so schlau sind, das in den Griff zu kriegen! Hätte ja auch sein können, dass wir 20 Jahre lang nichts finden und alle an Covid verrecken. Diese Ungeduld, dieses «Ich möchte wieder so leben wie vorher», verstehe ich überhaupt nicht. Ich bin froh, dass es die Möglichkeit der Impfung gibt. Die gibt’s ja auch längst noch nicht überall auf der Welt.

Zur Person: Bjarne Mädel ist ein vielseitiger Schauspieler, der in Berlin lebt. Viele kennen ihn aus den Serien «Stromberg» und «Der Tatortreiniger». Er spielt Theater, ist Sprecher von Hörbüchern und ist in vielen Filmen zu sehen, etwa «25 km/h» mit Lars Eidinger. Im ARD-Krimi «Sörensen hat Angst» übernahm er die Hauptrolle und führte erstmals Regie. Geehrt wurde der 53-Jährige unter anderem mit dem Grimme-Preis und dem Ernst-Lubitsch-Preis.

Interview: Cordula Dieckmann, dpa

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