Bei einem ungewöhnlich großen Ausfall sind gleich mehrere Dienste des Facebook-Konzerns auf breiter Front vom Netz gegangen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Fabian Sommer/dpa)

Für Milliarden Nutzer von Facebook war der Komplett-Blackout ärgerlich, aber nach sechs Stunden wieder vorbei. Dem Online-Netzwerk selbst kann er noch lange Ärger bringen.

Denn die Tatsache, dass mit der Plattform auch WhatsApp und Instagram vom Netz gingen, löste neue Rufe nach einer Zerschlagung des Online-Giganten aus. Am Dienstag verstärkte zudem der Auftritt einer ehemaligen Mitarbeiterin im US-Senat den ohnehin schon massiven politischen Druck auf Facebook in den Vereinigten Staaten.

Senator Ed Markey, Autor diverser Gesetze zur Internet-Regulierung, richtete ungewöhnlich scharfe Worte an die Adresse von Facebooks Gründer und Chef Mark Zuckerberg: «Ihre Zeit der Invasion in unsere Privatsphäre, der Verbreitung toxischer Inhalte und der Beutezüge gegen unsere Kinder und Teenager ist vorbei.»

Der US-Kongress werde handeln, kündigte Markey an. «Sie können mit uns zusammenarbeiten oder auch nicht – aber wir werden nicht länger zulassen, dass Ihr Unternehmen unseren Kindern, Familien und unserer Demokratie schadet», schimpfte der Demokrat.

Zerschlagung gefordert

«Zerschlagt sie jetzt», forderte die einflussreiche demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Sie verwies darauf, dass Instagram und WhatsApp nicht betroffen gewesen wären, wenn man deren Übernahme durch Facebook einst verhindert hätte. Die Demokraten halten mit Präsident Joe Biden das Weiße Haus sowie auch knappe Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat. Doch in der Kritik an Facebook demonstrieren Republikaner und Demokraten seltene Eintracht.

Die Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen rief die Politik auf, für Einblick in die Funktionsweise des Online-Netzwerks zu sorgen. «Facebook formt unsere Wahrnehmung der Welt durch die Auswahl der Informationen, die wir sehen», sagte sie. Dabei wisse bisher aber nur der Konzern selbst, wie er den Newsfeed der Nutzer personalisiere. Und Facebook verweigere Forschern und Regulierern den Zugang dazu.

Dabei hätten die Mechanismen zum Teil das Potenzial, ein Suchtverhalten vor allem bei jüngeren Nutzern auszulösen, warnte Haugen. Sie wirft Facebook und der Fotoplattform Instagram unter anderem vor, Profite über das Wohl der User zu stellen. Da Zuckerberg nach wie vor die Mehrheit der Stimmrechte kontrolliere und damit auch nicht von Investoren zur Rechenschaft gezogen werden könne, sei er letztlich für alles verantwortlich.

Ungewöhnlich langer Blackout

Am Montag waren Facebook, WhatsApp und Instagram mit sechs Stunden ungewöhnlich lange offline gewesen. Facebook erklärte die Störung mit einer fehlerhaften Konfigurationsänderung, durch die der Datenverkehr zwischen Rechenzentren zusammengebrochen sei. Es sei ein eigener Fehler gewesen, nicht die Folge bösartiger Aktivitäten.

Die Störung war so schwer in Griff zu bekommen, dass Facebook der «New York Times» zufolge ein Team in sein Rechenzentrum im kalifornischen Santa Clara schicken musste, um einen «manuellen Reset» der Server zu versuchen. Das ist in etwa so, wie am PC zu Hause den Reset-Knopf zu drücken, weil gar nichts mehr geht.

Facebook verwies darauf, dass von dem Ausfall auch interne Systeme betroffen gewesen seien – wodurch es länger gedauert habe, das Problem zu diagnostizieren und zu beheben. Diese Erklärung deckt sich mit Vermutungen von Experten, die von einem Fehler in der Netzwerk-Infrastruktur ausgegangen waren.

«Vereinfacht dargestellt: Die Dienste von Facebook, WhatsApp und Instagram sind noch da – aber es fehlt im Internet quasi die Verknüpfung dorthin», so Rüdiger Trost von der IT-Sicherheitsfirma F-Secure. «Als hätte jemand auf einer Autobahn die Ausfahrtsschilder zu den „Orten“ Instagram, WhatsApp und Facebook entfernt.»

Insgesamt nutzen monatlich rund 3,5 Milliarden Menschen mindestens einen Dienst des Konzerns, 2,76 Milliarden greifen sogar täglich darauf zu. Zuckerberg entschuldigte sich in einem kurzen Facebook-Beitrag bei den Nutzern. WhatsApp-Chef Will Cathcart versprach, man werde daraus lernen.

Auch digitale Türschlösser fielen aus

Bei Facebook selbst seien neben der internen Kommunikationsplattform zum Teil auch digitale Türschlösser in Büros und andere vernetzte Technik ausgefallen, schrieb die «New York Times». Zwei namentlich nicht genannte IT-Sicherheitsexperten von Facebook sagten der Zeitung, eine Cyberattacke als Auslöser erscheine unwahrscheinlich. Offiziell erklärte das Online-Netzwerk, man habe keine Hinweise darauf, dass auch Nutzerdaten betroffen gewesen seien.

Die Facebook-Dienste waren ab etwa 18.00 Uhr MESZ nicht mehr nutzbar und gingen kurz vor Mitternacht wieder online. Der Technik-Chef des Cloud-Dienstleisters Cloudflare, John Graham-Cumming, erklärte, dass Nutzer und auch Software zunächst weiter versuchten, immer wieder die Dienste anzusteuern. Das belastete die Web-Infrastruktur zusätzlich.

Mit dem Facebook-Blackout schlug die Stunde von Twitter – und der Facebook-Konkurrent war sich dessen bewusst. «Hallo, buchstäblich alle», twitterte der Account des Kurznachrichtendienstes, auf dem sich über Stunden unzählige Facebook-Nutzer tummelten.

Gut für den Weltfrieden

Twitter war am Montag voller Scherze darüber, wie das Verschwinden von Facebook alles auf einen Schlag besser gemacht habe – bis hin zum Weltfrieden. «Hoffentlich gehen Facebook, Instagram und WhatsApp nie wieder an», schrieb der Satiriker Jan Böhmermann. Der NSA-Enthüller Edward Snowden ergriff die Gelegenheit, um die Chat-App Signal als Alternative zu empfehlen. Diese biete mehr Datenschutz. Signal begrüßte am Montag Millionen neue Nutzer.

Störungen, die auf Netzwerk-Fehler zurückgehen, gibt es im Web immer wieder mal. So hatte eine im Juli dafür gesorgt, dass zahlreiche Seiten zeitweise nicht erreichbar waren. Die Zentralisierung der Netz-Infrastruktur bei großen Anbietern führt zudem dazu, dass der Ausfall bei einer Firma viele andere Dienste aus dem Betrieb reißen kann. Auch Anfang Juni waren zahlreiche Webseiten weltweit nach einer Störung bei einem Cloud-Dienst rund eine Stunde nicht erreichbar.

Bei Facebook hatte es im Frühjahr 2019 einen großflächigen Ausfall gegeben, der dem Konzern zufolge auf einen Fehler bei der Server-Konfiguration zurückging. Die Störung vom Montag war jedoch in Ausmaß und Dauer außergewöhnlich.

Wenden sich Werbekunden ab?

Eine Frage ist, ob der Ausfall Facebook-Werbekunden veranlassen wird, über Alternativen nachzudenken. Denn gerade viele kleine Unternehmen rund um die Welt verlassen sich auf Facebook, um Kunden anzulocken. Für sie bedeutete die Störung verlorenes Geschäft. Der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) erklärte, für einen kurzen Zeitraum lasse sich ein solcher Ausfall noch kompensieren.

Durch die Probleme bei WhatsApp griffen viele Nutzer in Deutschland auf die altbewährte SMS zurück. Die Deutsche Telekom verzeichnete acht Mal mehr Kurznachrichten als sonst, Telefónica und Vodafone meldeten das Dreifache.

Die Facebook-Aktie schloss am Montag mit einem Minus von knapp fünf Prozent. Auch danach war das Unternehmen an der Börse immer noch rund 920 Milliarden Dollar wert. Das persönliche Vermögen von Zuckerberg schrumpfte nach Berechnungen des Finanzdienstes Bloomberg binnen weniger Stunden um mehr als sechs Milliarden Dollar.

Mit noch 121,6 Milliarden Dollar rutschte er demnach um einen Platz nach hinten auf den fünften Rang hinter Microsoft-Gründer Bill Gates. Nachdem die Störung behoben war, legte der Kurs der Facebook-Aktie im vorbörslichen Handel am Dienstag zeitweise um 0,7 Prozent zu.

Von Andrej Sokolow, dpa

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