Steigende Preise könnten in den nächsten Monaten auch die Biertrinker in Deutschland erreichen. Etliche große Brauereien haben in den vergangenen Wochen Preiserhöhungen für Großkunden angekündigt. Das betrifft nicht nur die obere Preislage, sondern in einzelnen Fällen auch schon die untere.
Vor allem das ertragsstarke Fassbiergeschäft der Brauereien leidet stark in der Pandemie. Derweil ist in der Braubranche von einer Kostenexplosion nicht nur bei Energie, sondern auch bei Rohstoffen bis hin zu Kronkorken die Rede.
Beim Bierabsatz ging es im vergangenen Jahr zugleich weiter nach unten, wie der Deutsche Brauer-Bund am Freitag schätzte. Der Rückgang spiegle aber nicht einmal ansatzweise das Ausmaß der Krise wider, teilte Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Er erwartet nur eine langsame Markterholung.
Talsohle nicht durchschritten
Die Hoffnung, die Talsohle in der Pandemie 2021 durchschritten zu haben, hat sich nach Worten von Eichele für viele Betriebe nicht erfüllt. Der Brauer-Bund geht wenige Tage vor Bekanntgabe der Zahlen durch das Statistische Bundesamt für das alkoholhaltige Bier von einem weiteren Absatzrückgang von 3 bis 4 Prozent im vergangenen Jahr aus. Damit seien noch einmal 200 bis 300 Millionen Liter weniger alkoholhaltiges Bier als 2020 abgesetzt worden, als es ein Rekordminus von 5,5 Prozent gab. Die Brauer hängen mit ihrem Fassbierabsatz vom Ausschank in der Gastronomie, die monatelang schließen musste. Zudem fielen Volks- und Schützenfeste aus.
Das Getränkemagazin «Inside» hält die Schätzung des Brauer-Bunds zum Absatzrückgang für 2021 für etwas zu hoch gegriffen: Es rechnet mit einem Minus von bis zu drei Prozent.
«Der historische Absatzeinbruch auf dem Biermarkt trifft auf eine nie gekannte Preisexplosion – für viele Betriebe wird das zu einer existenziellen Bedrohung», erklärte Eichele. So hätten sich die Kosten für Transportpaletten binnen eines Jahres verdoppelt und die Preise für Malz als wichtiger Braurohstoff um bis zu 60 Prozent erhöht. Noch extremer fielen die Preissteigerungen bei Strom und Gas aus. Eine Pleitewelle habe es bei Brauern bisher zwar nicht gegeben, aber einzelne Betriebsaufgaben, denen weitere folgen könnten. Viele Brauer mussten laut Verband ihre Rücklagen angreifen und aufbrauchen.
Branche unter Druck
Die Branche steht also mächtig unter Druck. Allerdings ist offen, in welchem Umfang Handelsriesen Preiserhöhungen akzeptieren und an Verbraucher weitergeben. Denn gerade bei großen Pilsmarken verkauft der Handel einen Großteil in den wöchentlichen Aktionen. Unter anderem hat Krombacher Preiserhöhungen ab April auch für Schweppes-Softdrinks angekündigt. Veltins will im April ebenfalls die Preise anheben. Die Bitburger Braugruppe setzt zum Mai verschiedene Produkte höher im Preise an. Auch Oettinger plant Preiserhöhungen, ohne Details zu nennen. Vertriebschef Peter Böck betont zugleich: «Der deutsche Biermarkt ist und bleibt hart umkämpft.» Der Wettbewerb im Handel habe sich durch die Corona-Krise eher noch verschärft.
Neben Schatten gibt es aber auch Licht, neben vielen Verlierern auch einige Gewinner. Alkoholfreies Bier, das vom Statistischen Bundesamt nicht erfasst wird, gewinnt an Beliebtheit. Seit 2007 hat sich die Produktion alkoholfreier Biersorten in Deutschland nach Berechnungen des Brauer-Bundes mehr als verdoppelt auf etwa gut 680 Millionen Liter im vergangenen Jahr. Die Exporte zogen früher als erwartet an. Der Exportanteil der Branche ist laut Verband mit dem Rekordhoch 18 Prozent doppelt so hoch wie zur Jahrtausendwende. Die Zuwächse bei Ausfuhren in Drittländer wie China und auch bei alkoholfreiem Bier könnten aber Rückgänge beim Fassbier im Inland nicht ausgleichen.
Laut Getränkemagazin «Inside» haben von den zehn größten Biermarken in Deutschland drei Marken 2021 Absatzzuwächse verzeichnet, darunter Veltins mit einem Rekordwert. Nach Veltins-Berechnungen belastet ein zweijähriger Umsatzausfall von 1,8 Milliarden Euro die deutsche Brauwirtschaft. «Es wird bei vielen Brauereien länger dauern, bis die eingeschränkte Finanzkraft und Liquidität wiederkehrt», sagt der Generalbevollmächtigte Michael Huber. Für das eigene Geschäft rechnet er erst Ende 2023 damit, den Fassbierabsatz 2019 wieder zu erreichen.
Nur langsam Besserung erwartet
Der Deutsche Brauer-Bund rechnet für das laufende Jahr allenfalls mit einer langsamen Besserung der Lage. Verunsicherte Verbraucher, verschärfte Zugangsregeln für die Gastronomie und die Absage vieler Events wirkten sich für die von mittelständischen und handwerklichen Betrieben geprägte Brauwirtschaft beinahe wie ein erneuter Lockdown aus, sagte Eichele. Viele Gastwirte haben den Angaben nach ihre Lokale mangels Rentabilität bereits freiwillig geschlossen. In der Folge hätten im Januar immer mehr Brauereien erneut Kurzarbeit anmelden müssen und die Abfüllung von Fassbier bremsen müssen.
Der Pro-Kopf-Verbrauch an Bier in Deutschland ist schon vor der Pandemie unter die Marke von 100 Litern im Jahr gerutscht. In der Corona-Krise hat sich der Trend verschärft. Auch in den Läden sei weniger Bier gekauft worden, obwohl der Einzelhandel mit hohen Rabatten lockte, erklärt «Inside»-Herausgeber Niklas Other. Seit vielen Jahren macht der deutschen Brauwirtschaft die alternde Gesellschaft mit weniger Bierkonsum zu schaffen. Dazu kämen ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein und dass junge Leute maßvoller tränken, wie ein Vertreter der Branche aufzählt.