Juergen Boos freut sich, dass die Buchmesse in Frankfurt nach zwei Pandemiejahren wieder physisch stattfinden darf. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sebastian Gollnow/dpa)

Der Vorverkauf brummt fast wie vor der Pandemie, Corona-Auflagen gibt es kaum, die internationalen Promis sind zurück: Darf sich Frankfurt auf eine Buchmesse wie früher freuen? Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, glaubt man dem Buchmessen-Direktor Juergen Boos: Nach «zwei sehr schweren Jahren» werde die Buchmesse in diesem Jahr endlich wieder größtenteils physisch stattfinden. Die Branche sehne sich nach Kontakt.

Impfpass-Kontrolle, Besucher-Obergrenzen – Stand jetzt wird es auf der Buchmesse keine Beschränkungen dieser Art geben. «Wir haben die Genehmigung, diese Messe ohne Auflagen durchzuführen», sagte Boos bei der Programmvorstellung im September. Dennoch werde man alles tun, eine sichere Messe zu ermöglichen. So sollen zum Beispiel die breiten Gänge beibehalten werden, um Gedränge zu vermeiden.

Spanische Ehrengäste

Der Zeitpunkt, zu dem das Lesepublikum nach den Fachbesuchertagen auf die Messe darf, hat sich in den vergangenen Jahren stetig nach vorn verschoben. In diesem Jahr dürfen Bücherliebhaber erstmals schon am Freitagmorgen aufs Gelände – und dann auch schon Bücher kaufen. Mittwoch und Donnerstag sind die Messehallen weiterhin Fachbesuchern vorbehalten.

Rund eine Woche vor Beginn der Messe am 19. Oktober hatten sich 4000 Aussteller aus 95 Ländern angemeldet. Der Vorverkauf laufe gut, sagte eine Sprecherin, ohne Zahlen zu nennen. Boos hatte im Sommer angedeutet, die Zahlen näherten sich fast schon wieder dem Niveau vor Corona. Im letzten Jahr vor der Pandemie hatten mehr als 300.000 Menschen die Buchmesse besucht. 2021 zählte die Messe nur 70.000 Besucher, weitere 130.000 nutzen die digitalen Angebote.

Zur Eröffnung am 18. Oktober bringen König Felipe VI. und Königin Letizia von Spanien royalen Glanz nach Frankfurt. Ihr Land ist in diesem Jahr Ehrengast der Buchmesse. Auch die Liste der Autorinnen und Autoren ist wieder internationaler. Zu den prominentesten Namen zählt Donna Leon, die keinen neuen Krimi vorstellt, sondern über ihr Leben und ihre Arbeit berichtet.

Hinter den Kulissen hat das Thema Sicherheit 2022 noch eine andere Note bekommen: Als der von Islamisten bedrohte Schriftsteller Salman Rushdie im August in den USA auf einer Bühne angegriffen und schwer verletzt wurde, dürften bei der Buchmesse die Alarmglocken geklingelt haben. Rushdie war schon mehrfach in Frankfurt zu Gast, zuletzt 2015, und zwar auf seinen eigenen Wunsch hin stets ohne Personenschutz.

Debatten der Welt spiegeln sich auf der Messe

Frankfurt sei «die größte internationale Kulturmesse der Welt», sagt Boos, «Handelsplattform und Diskussionsraum zugleich». So spiegeln sich wie in jedem Jahr auch diesmal die Debatten der Welt auf dem Messegelände. Der Gemeinschaftsstand russischer Verlage wurde wegen der Nähe der Organisatoren zum Putin-Regime ausgeladen – ukrainische Verlage dürfen sich auf einem 100-Quadratmeter-Stand mit Bühne präsentieren. Der Buchmessen-Samstag steht ganz im Zeichen ukrainischer Autoren. Die Buchmesse endet am 23. Oktober mit der Verleihung des Friedenspreises an den Ukrainer Serhij Zhadan.

Ein weiterer Schwerpunkt ist das Thema Übersetzen. «Translate.Transfer.Transform» lautet das Motto. Damit soll zum einen die Arbeit der Übersetzerinnen und Übersetzer mehr ins Rampenlicht gerückt werden. Andererseits gehe es auch um das Übersetzen im übertragenen Sinn, erklärte Boos: um die Adaption von literarischen Stoffen in andere Medien und «den kommunikativen Akt». Erstmals ist die Plattform Tiktok Partner der Buchmesse. Unter dem Hashtag #BookTok sind Bücher bei den meist jungen Nutzern durchaus ein Thema. In Frankfurt sollen Nutzer und Anbieter real zusammenkommen.

Im vergangenen Jahr hatten Boykott-Aufrufe die Messe überschattet. Die Messe etablierte nun ein «Awareness-Team», bei dem sich Besucher melden können, die sich – zum Beispiel wegen ihrer Hautfarbe oder sexuellen Identität – auf der Messe beleidigt, ausgegrenzt oder bedroht fühlen. Kritik hatte es im vergangenen Jahr auch an der Anwesenheit rechter Verlage gegeben. Die Buchmesse bleibt bei ihrer Linie: «Es geht um die Freiheit des Wortes», sagt Boos. «Alles, was in Deutschland nicht verboten ist, kann in Frankfurt stattfinden.»

Von Sandra Trauner, dpa

Von