Schon lange blicken die Wettbewerbshüter mit Sorge auf die Marktmacht von Internetriesen wie Google, Amazon, Facebook oder Apple. Jetzt stellt das Bundeskartellamt erstmals die Weichen für eine schärfere Kontrolle eines der Giganten: Es trifft Google und seinen Mutterkonzern Alphabet.
Die Kartellwächter haben «eine überragende marktübergreifende Bedeutung von Google festgestellt», wie Behördenpräsident Andreas Mundt mitteilte. Damit unterliege der Internetgigant künftig der erweiterten Missbrauchsaufsicht. Die Wettbewerbshüter können so in Zukunft leichter eventuelle wettbewerbsgefährdende Praktiken des US-Konzerns untersagen.
«Das ist ein ganz wesentlicher Schritt, denn auf dieser Grundlage kann das Bundeskartellamt jetzt konkrete, für den Wettbewerb schädliche Verhaltensweisen aufgreifen», sagte Mundt. Die Behörde habe bereits begonnen, die Verarbeitung persönlicher Daten durch Google sowie das Nachrichtenangebot Google News Showcase intensiver unter die Lupe zu nehmen. «Parallel dazu betreiben wir mit Nachdruck weitere Verfahren gegen Amazon, Apple und Meta, ehemals Facebook», sagte Mundt.
Google verzichtete auf Rechtsmittel gegen den Beschluss der Wettbewerbsbehörde. Konzernsprecherin Lena Heuermann betonte: «Die Menschen, die unsere Produkte und Dienstleistungen in Anspruch nehmen, erwarten, dass wir unser Geschäft verantwortungsbewusst betreiben und reguliert werden.» Google sei zuversichtlich, die Vorschriften einzuhalten.
Soweit aber Änderungen erforderlich sein sollten, werde der Konzern konstruktiv mit dem Bundeskartellamt zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden, die es den Menschen und Unternehmen in Deutschland ermöglichten, die Google-Produkte weiterhin in einer für sie hilfreichen Weise zu nutzen.
«Wir untersagen erst einmal nichts»
Für die Verbraucher hat die Maßnahme des Kartellamtes zunächst keine Auswirkungen. «Wir untersagen erst einmal nichts», hieß es bei der Behörde. Doch könne es im weiteren Verlauf des Verfahrens durchaus dazu kommen, dass Maßnahmen ergriffen werden, die für die Google-Nutzer spürbar seien – falls die Behörde etwa auf wettbewerbsgefährdende Praktiken wie die Behinderung von Konkurrenten oder eine Selbstbevorzugung des Konzerns stoße und sie untersage.
Eine zentrale Frage werde außerdem sein, ob Verbraucherinnen und Verbraucher ausreichende Wahlmöglichkeiten zur Nutzung ihrer Daten hätten, wenn sie Google-Dienste wie die Suchmaschine, YouTube, Maps, den Browser Chrome oder das Betriebssystem Android nutzen, hatte Kartellamtspräsident Mundt bereits in der Vergangenheit signalisiert.
Möglich wird die schärfere Aufsicht über Google durch eine im Januar 2021 in Kraft getretene neue Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Sie erlaubt dem Kartellamt ein früheres und effektiveres Eingreifen, insbesondere gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne – vorausgesetzt, ihre überragende marktübergreifende Bedeutung ist nachgewiesen.
Beherrschende Stellung für Suchdienste
Das sieht die Wettbewerbsbehörde nun als erwiesen an. Google habe mit Marktanteilen von über 80 Prozent eine beherrschende Stellung auf dem Markt für allgemeine Suchdienste und sei der wesentliche Anbieter für suchgebundene Werbung. Auch mit seinen anderen Diensten erreiche der Konzern hohe Nutzerreichweiten, betonte das Kartellamt.
Er verfüge in Deutschland über eine wirtschaftliche Machtposition, die ihm vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte, marktübergreifende Verhaltensspielräume eröffne. Er könne gegenüber anderen Unternehmen die Regeln und Rahmenbedingungen vorgeben.
Die überragende Bedeutung des US-Konzerns für den Wettbewerb zeige sich auch im Börsenwert, der weltweit einer der höchsten sei und Googles große Finanzkraft widerspiegele, betonte die Behörde. Die Entscheidung des Kartellamtes ist entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auf fünf Jahre befristet.
Andere Tech-Giganten im Visier
Im Visier der Wettbewerbshüter sind neben Google auch Amazon, Facebook und Apple. Auch bei ihnen prüft das Bundeskartellamt, ob eine überragende marktübergreifende Bedeutung in Betracht kommt. Wann in diesen Fällen mit einer Entscheidung zu rechnen ist, teilte die Behörde nicht mit.
Die Verwertungsgesellschaft Corint Media begrüßte die Entscheidung des Kartellamtes – und die Einbeziehung der Konzernmutter Alphabet in das Verfahren. «Mit der Erstreckung der Ermittlungen auf Alphabet gibt das Bundeskartellamt zugleich zu verstehen, dass es sich nicht von den gesellschaftsrechtlichen und steueroptimierten Strukturen des Alphabet-Konzerns beeindrucken lässt: dann ist eben Alphabet zu bebußen, das ist die dahinterstehende Aussage der Einbeziehung Alphabets».