Bundeskanzler Olaf Scholz (r, SPD) übergibt an Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, eine Komponente eines Schaltschranks weiter. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Kay Nietfeld/dpa)

Die Bundesregierung will künftig mehr Daten besser verfügbar und nutzbar machen, um Innovationsprojekte bei Start-ups, Unternehmen, aber auch der Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu ermöglichen. Das kündigten Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck auf dem Digital-Gipfel am Freitag in Berlin an. «Dafür werden wir den bestehenden Rechtsrahmen handhabbar gestalten», sagte Wissing. Das trage dazu bei, dass Innovationen die nötigen rechtlichen Bedingungen schneller und einfacher erfüllten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) räumte zum Abschluss des zweitägigen Digital-Gipfels in einem Gespräch mit der Premierministerin von Estland, Kaja Kallas, Defizite bei der Internet-Infrastruktur und das Fehlen einer digitalen Identität in Deutschland ein. Aber trotz der Herausforderungen durch Krisen wie dem Ukraine-Krieg werde in der Bundesregierung hart und erfolgreich daran gearbeitet, die Potenziale der Digitalisierung zu erschließen. Kallas riet Scholz, mit Vorrang eine eID einzurichten, also digitale Identitätsnachweise für Bürger und Organisationen. Deutschland könne sich Digital-Projekte in Estland zum Vorbild nehmen. Estland gilt in Europa als Vorreiter der Digitalisierung.

Schaltzentrale «Dateninstitut»

Die Bundesregierung hatte zuvor auf dem Digital-Gipfel den Aufbau eines «Dateninstituts» angekündigt. Es solle den Datenzugang und die Datennutzung erleichtern und vor allem in den Bereichen Gesundheit, Mobilität und politischen Entscheidungsprozessen Verbesserungsvorschläge machen. Für den Aufbau und die Arbeit des Instituts sollen von 2023 bis 2025 jährlich zehn Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das Institut soll zunächst mit drei Pilotprojekten starten. Dabei geht es um die Auswertung von Daten zu «Long Covid», Mobilität in den Kommunen sowie zur Gaspreisbremse.

Wissing setzte sich für eine neue, offene Datenkultur in Deutschland ein. «Denn Daten stehen im Mittelpunkt des digitalen Wandels. Sie bestimmen Produktionsprozesse und Lieferketten genauso wie unseren Konsum und unsere Lebensweise. Daten klug zu nutzen, ist ein Schlüssel zu Innovation und nachhaltigem Wachstum.«

Habeck sagte, der Digital-Gipfel finde nicht im luftleeren Raum statt: «Die großen Krisen und Herausforderungen unserer Zeit sind alle auch digital: die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine oder die Covid-19-Pandemie.» Der Wettbewerb um intelligente grüne Technologien habe längst begonnen, sagte Habeck. «Deutsche Unternehmen sind hier sehr gut aufgestellt und genießen einen exzellenten Ruf. Aber um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir besser werden im klugen Umgang mit digitalen Daten. Datenverfügbarkeit ist die Bedingung für künftige Wettbewerbsfähigkeit.»

«Ein bisschen wie beim Fußball»

Der Vizekanzler räumte ein, dass bei der Umsetzung der Digitalisierungspläne noch Defizite gebe: «Gemessen an unseren eigenen Ansprüchen ist das so ein bisschen wie beim Fußball. Und das kann natürlich nicht zufriedenstellend sein.»

Der Digitalverband Bitkom forderte auf dem Event «eine digitale Zeitenwende in Deutschland». «Ein bisschen Veränderung hier, ein wenig dort und vor allem niemandem auf die Füße treten – so kommen wir nicht weiter», sagte Verbandspräsident Achim Berg. Der Verband setzte sich unter anderen für die Einrichtung einer digitalen Identität ein. Ohne eine eID seien viele digitalen Arbeitsabläufe nicht möglich.

Der Bitkom forderte, Daten gezielt einzusetzen, um die großen gesellschaftlichen Aufgaben zu lösen. So könnten 41 Prozent der CO2-Einsparziele der Bundesregierung bis 2030 allein durch eine beschleunigte Digitalisierung erreicht werden.

Vertreter der digitalen Zivilgesellschaft bemängelten die inhaltliche Ausrichtung und personelle Zusammensetzung des Digital-Gipfels. Christian Humborg, Vorstand von Wikimedia Deutschland, sagte, für den Gipfel gelte, was sich allgemein in der Digitalpolitik der vergangenen Jahre beobachten lasse: «Viel zu oft stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund.» Der Verein Wikimedia Deutschland unterstützt ehrenamtliche Autorinnen und Autoren des digitalen Wissensprojektes Wikipedia.

Markus Beckedahl, Gründer der Online-Plattform Netzpolitik.org, sagte, der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP habe Hoffnung gemacht, dass die Digitalisierung endlich gesellschaftlich gestaltet werde. «In der Realität ist davon noch zu wenig sehen – der Digitalgipfel zeigt das anschaulich. Viele Vertreter aus der Wirtschaft sitzen prominent auf den Bühnen des Gipfels. Eine engagierte digitale Zivilgesellschaft mit ihren Perspektiven darf am Katzentisch im Publikum zuschauen.» Der Gipfel sei nicht zeitgemäß, sagte Beckedahl.

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