Die Deutsche Oper Berlin als eines der führenden Musiktheater des Landes soll jünger und diverser werden. Das kündigte der designierte Intendant Aviel Cahn am Montag an. Der Schweizer Regisseur, Sänger und Theaterleiter soll das größte Opernhaus der Hauptstadt zum 1. August 2026 übernehmen. Zuvor hatte der Stiftungsrat der Stiftung Oper der Personalie einstimmig zugestimmt.
«Ich sehe Oper sehr stark als gesellschaftspolitische Kunstform», sagte der 48-Jährige. Die Oper sei wieder aus dem Elfenbeiturm herausgekommen. Die sozialpolitische Lage der Kunstform interessiere ihn sehr stark. «Die Diversität, die Integration, das Historische, das Politische, das Soziale», sagte Cahn. «Das ist etwas, was ich sicher auch in der Deutschen Oper sehr stark in Angriff nehmen möchte.» Die Deutsche Oper solle ein zeitgenössisches Haus sein.
Der promovierte Jurist ist seit vier Jahren Generaldirektor des Grand Théâtre in Genf. Dort lief sein Vertrag eigentlich bis 2029. Zuvor stieß er während zehn Jahren als Intendant der flämischen Oper Opera Vlaanderen in den belgischen Städten Antwerpen und Gent zahlreiche Projekte an und wurde mit Produktionen des Hauses mehrfach prämiert. Solche Erfolge konnte er auch mit der Oper in Genf feiern.
Der in Zürich geborene Cahn nahm als Sechsjähriger Klavierunterricht, später studierte er Gesang. Sein Jura-Studium schloss er 2002 in Zürich mit einer Promotion zur rechtlichen Stellung von Intendanten ab. Die Theaterkarriere führte ihn von Zürich über Peking, Helsinki und Bern nach Belgien.
Dabei verpflichtete er immer wieder neben großen Namen des Fachs auch etwa Literaturnobelpreisträger Dario Fo oder Oscar-Gewinner Christoph Waltz als Regisseure oder Künstlerin Marina Abramovic fürs Bühnenbild. Als Ziele seiner Arbeit sieht er den Zugriff auf aktuelle Themen, die Verjüngung und soziale Verbreiterung der Oper. So läuft diese Spielzeit seines Genfer Hauses unter «Migrierende Welten».
Bis 2025 noch Interimslösung geplant
Cahn folgt auf den aktuellen Intendanten Dietmar Schwarz. Der Vertrag des 65-Jährigen läuft bis 2025. Für die Zeit bis zum Amtsantritt Cahns 2026 ist den Angaben zufolge eine Interimslösung vorgesehen. Schwarz hatte den Posten 2012 übernommen, seitdem wurde sein Vertrag zwei Mal verlängert. Die Verträge von Sir Donald Runnicles (68), seit 2009 Generalmusikdirektor des Hauses, und Thomas Fehrle, kaufmännischer Geschäftsführer seit 2011, laufen noch bis 2027.
«Mit Aviel Cahn konnte Berlin eine außerordentlich kreative Persönlichkeit als künftigen Intendanten für das größte seiner drei Opernhäuser gewinnen», sagte Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der auch Vorsitzender des Stiftungsrats ist. In dem offen ausgeschriebenen Verfahren gab es knapp 30 Bewerberinnen und Bewerber für die Position. Auf der Basis erstellte ein Beratungsgremium eine Shortlist und führte Gespräche.
In kaum einer internationalen Metropole gibt es so viele Opern wie in Berlin. Alle drei großen Häuser – neben der Deutschen Oper die Staatsoper Unter den Linden und die Komische Oper – stehen vor grundlegenden Veränderungen.
Häuser im Umbruch
Die Staatsoper ist nach dem gesundheitsbedingten Amtsverzicht von Dirigent Daniel Barenboim ohne Generalmusikdirektor. Zudem geht Staatsopernintendant Matthias Schulz zur Spielzeit 2025/26 an das Opernhaus Zürich. Für den Posten war auch Cahn im Gespräch, der aber zum Zeitpunkt der Entscheidung in Genf bleiben wollte. An der Staatsoper in Berlin übernimmt 2024 die derzeitige Intendantin der Bregenzer Festspiele, Elisabeth Sobotka, die Leitung des Hauses.
In der Komischen Oper als kleinstem der drei großen Häuser ist die Spitze schon neu geordnet. Das Duo Susanne Moser und Philip Bröking hat den langjährigen Intendanten Barrie Kosky abgelöst, der als Regisseur weiter zur Verfügung steht. Die Verwaltungsexpertise von Moser und Bröking soll durch unruhige Zeiten helfen. Das Haus muss grundlegend saniert und erweitert werden. Die Kosten werden auf 437 Millionen Euro geschätzt. Für eine noch ungewisse Zeit zieht die Komische Oper im Sommer um. Das Schillertheater im Westen der Stadt wird dann zur Spielstätte, zudem sind dezentrale Projekte geplant.