Dass das Rollen-Repertoire für Mädchen ein wenig beschränkter ist als das für Jungen, wurde Carolin Kebekus (41) erstmals beim Krippenspiel in der Kita bewusst.
«Ich weiß noch, mit welcher Süffisanz unsere Kindergärtnerin immer gesagt hat: «Ich weiß schon, wer vielleicht die Maria spielen darf!» Wir wussten dann: «Alles klar, da gibt es nur eine Frauenrolle. Alle anderen Rollen für die Mädchen sind die Schafe.» Der einzige Ruhm, der mir im Krippenspiel je zuteil wurde, war, dass meine Puppe mal das Jesuskind sein durfte. Da war ich dann stolz wie eine Soccer Mom. Und so zieht sich das dann durchs ganze Leben.»
Kebekus, die derzeit erfolgreichste Komikerin Deutschlands, hat darüber jetzt ein Buch geschrieben, einen richtig dicken Wälzer von 352 Seiten. Der Titel: «Es kann nur eine geben» (ab 7. Oktober erhältlich). Das sagt eigentlich schon alles. «Ich meine damit ein Gefühl, das uns Frauen vermittelt wird: Es kann immer nur eine geben. Die Eine, die Schönste, die Auserwählte», erläutert sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Für Frauen gibt es keine Vielfalt in der Darstellung, sondern gefühlt ist es immer nur die Eine. Die eine Prinzessin im Märchen, die eine Maria im Krippenspiel. Das lernt man schon als ganz kleines Kind.»
Zusammen mit ihrem jüngeren Bruder David hat sie zum Beispiel immer «Die Schlümpfe» geguckt. «Mein Bruder hatte die Auswahl aus mannigfaltig vielen männlichen Schlümpfen. Er konnte sich aussuchen, wer er sein wollte: der starke Schlumpf, der Kochschlumpf, der Beauty-Schlumpf. Für mich gab’s nur die Schlumpfine. Und die ist einfach immer nur heulend weggerannt, wenn’s schwierig wurde.»
Als sie erwachsen war, tauchte das Gefühl in neuen Situationen wieder auf. Es gab zum Beispiel viel weniger Jobs für Rednerinnen im Kölner Karneval und für Komikerinnen in Comedy-Shows. «Ich hab anfangs oft angerufen und hab gefragt: «Kann ich bei euch auftreten?» Und dann hieß es oft: «Ach, blöd Caro, wir haben zwar noch drei offene Plätze in der Show, aber der Frauen-Slot ist schon besetzt.»» Der Subtext sei gewesen: Wir brauchen nur eine Frau – denn die sind ja alle gleich.
Damals habe sie das wie selbstverständlich hingenommen. Das oft stillschweigend akzeptierte Gesetz «Es kann nur eine geben» führe dazu, dass sich Frauen im Beruf häufig mit härtesten Bandagen bekämpften. «Ich weiß noch, dass ich mal ein Casting hatte, so um 2003. Bis dahin hatte ich immer die Rückmeldung bekommen: «Mensch Carolin, du bist die Lustigste.» Und dann kam plötzlich ein Kollege, der sagte: «Du, gestern war da ein Mädel, die war so unglaublich lustig, wir haben alle unterm Tisch gelegen!» Innerlich dachte ich sofort: «Hoffentlich ist die nicht auch noch total hübsch!» Und dann sagte der: «Die sieht so Hammer aus!»»
Heute sei genau diese Frau eine ihrer besten Freundinnen, doch damals habe sie nur Rivalität empfunden. Dass sie beide hier gegeneinander ausgespielt worden seien, habe sie nicht erkannt. Mit ihrem Buch wolle sie dazu beitragen, dass andere Frauen diese Mechanismen schneller durchschauten.
Frauen hätten zum Beispiel immer noch weniger Zugang zu Kapital, obwohl Start-ups von Frauen nachgewiesenermaßen erfolgreicher seien als solche von Männern. «Also müsste es für jeden Investor eigentlich klar sein, dass das ein Pluspunkt ist und mehr Zukunft hat als ein Unternehmen nur von Männern. Aber tatsächlich werden Frauen immer noch gefragt: «Was macht ihr denn, wenn ihr schwanger werdet?» Ich kenne viele, die zum Beispiel Anwältinnen sind und erstmal sagen mussten: «Nee, Kinder stehen bei mir wirklich gar nicht auf dem Plan.» Einfach um erst mal einen Job zu bekommen.»
Ihr selbst hätten immer wieder Vorbilder dabei geholfen, Rollen zu durchbrechen und das zu tun, was sie wirklich gewollt habe. Dazu gehörten etwa Gaby Köster, Anke Engelke und Gerburg Jahnke. «Aber auch ganz unbekannte Leute. Ich treffe bestimmt einmal in der Woche eine Frau, bei der ich denke: «Von der kann ich mir was abschauen».»
– Carolin Kebekus: Es kann nur eine geben, Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln 2021, 352 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3462001747.