Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) hat als Chef der Agrarministerkonferenz (AMK) dem Bundesministerium zahlreiche Versäumnisse vorgeworfen.
Am Rande der AMK-Herbsttagung in Dresden zog Günter ein Fazit seiner Amtszeit: «Wir könnten und müssten viel weiter sein. In Berlin hat man versucht, wichtige und unausweichliche Entscheidungen auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verschleppen oder ganz auszusitzen», sagte Günther der Deutschen Presse-Agentur. Zum Glück sei das nicht gelungen. «Das ist auch dem Geist der Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu verdanken, trotz aller politischen Unterschiede, die es hier gibt.»
Das Haus von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) habe seine Hausaufgaben «zuverlässig nicht gemacht», betonte Günther. Als Beleg nannte er die Neuausrichtung der EU-Agrarförderung, den Tierschutz und die Umsetzung von Verabredungen aus der sogenannten Borchert-Kommission – einem Kompetenznetzwerk für Nutztierhaltung. «Die Landwirtinnen und Landwirte wissen längst, dass sie vor einer enormen Transformationsaufgabe stehen. Sie wollen nicht vor Veränderung beschützt werden, sondern auf diesem Weg unterstützt werden. Die Bundeslandwirtschaftsministerin erweist der Branche einen Bärendienst, wenn sie hier immer wieder auf die Bremse tritt.»
Bundesministerium kontert
Das Bundeslandwirtschaftsministerium riet Günther, in den eigenen Spiegel zu schauen. «Herr Günther war es, der sich als AMK-Vorsitzender zunächst gar nicht mit der nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik beschäftigen wollte. Danach hat er in zwei Sitzungen trotz stundenlanger Verhandlungen kein Ergebnis erreicht. Erst der gute Aufschlag von Bundesministerin Julia Klöckner hat schließlich für Bewegung bei den Ländern gesorgt und dafür, dass der nationale Strategieplan nun fristgerecht vorgelegt werden kann und die Bauern ihre Förderung erhalten», sagte Hans-Joachim Fuchtel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium.
Positives Fazit für 2021
Günther äußerte die Hoffnung, mit einer neuen Bundesregierung schneller und konstruktiver voranzukommen. Sein Fazit für 2021 fiel insgesamt positiv aus. «Wir haben dieses Jahr den Einstieg in den Umstieg geschafft. Wir haben dafür hart verhandelt, teilweise in nächtelangen Sondersitzungen. Der Widerstand kam vorrangig aus einer Richtung: aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium», sagte er mit Blick auf den nationalen Strategieplan zur EU-Agrarförderung. Mit der Neuausrichtung der Agrarförderung erfülle man gleich mehrere Aufträge – einen gesellschaftlichen, einen politischen und einen ökologischen.
«Wir haben derzeit ein Agrarsystem, mit dem niemand zufrieden ist. Die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht, die Landwirtschaft nicht und die nicht, die für mehr Umweltschutz, Klimaschutz, Schutz der Artenvielfalt und Tierschutz eintreten», sagte Günther. Künftig werde rund die Hälfte der Agrarförderung für die Betriebe an deren Beiträge zur Ökologie und zum Gemeinwohl gebunden: «Das ist der eigentliche Erfolg dieses Vorsitzjahres.» Die neue Förderperiode sei eine des Übergangs. «Bei allem, was wir in diesem Jahr verhandelt haben und gerade in Dresden weiterverhandeln, haben wir die Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte im Blick. Denn ohne leistungsfähige Betriebe kommen wir bei unserer Transformationsaufgabe nicht voran.»
Ein Thema der aktuellen AMK soll die Schweinepest sein. Auch hier sieht Günther Klöckners Agieren kritisch: «Frau Klöckner hat jüngst zu einem Schweinegipfel eingeladen, bei dem ausgerechnet Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern außen vor waren. Wir sind das Bollwerk gegen die Afrikanische Schweinepest. Einen Gipfel zum Thema ohne uns zu machen, ist absurd.»
Parallel zur AMK demonstrierten vor dem Tagungshotel in Dresden der Bundesverband deutscher Milchviehhalter und die «Vereinigung Land schafft Verbindung» in Sachsen. «Wir brauchen keine Ministerinnen der Minister, die auf die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft bauen. Wir brauchen Volksvertreter, die mutig und ergebnisorientiert handeln und gestalten, statt zuzuschauen und laufen zu lassen», hieß es in einem Appell der Milchbauern.