Nach den Querelen bei der Schriftstellervereinigung PEN soll ein alternativer Verein entstehen. Rund 230 Autorinnen und Autoren wollen den PEN Berlin gründen, wie Journalist Deniz Yücel am Dienstag bei Twitter ankündigte.
Zu den Unterstützern zählen demnach unter anderem Daniel Kehlmann («Tyll»), Christian Kracht («Eurotrash») und Eva Menasse («Dunkelblum»). Zuvor hatten mehrere Medien über das Vorhaben berichtet. Die Vereinigung soll am Freitag im Berliner Literaturhaus gegründet werden.
«Wir wollen einen neuen PEN», hieß es auf der Internetseite. «Einen zeitgemäßen und diversen PEN, in dem sich auf Deutsch schreibende oder in Deutschland lebende Schriftsteller:innen und Übersetzer:innen aller literarischen und publizistischen Genres zusammenfinden.» Es brauche einen neuen PEN, der «gemeinsam und unabhängig von Herkunft und Haltung Missstände anprangert und denjenigen hilft, die in ihrer freien Meinungsäußerung bedroht werden».
Zuletzt hatte es Kontroversen um die Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland gegeben, deren Präsident Yücel mehrere Monate gewesen ist. Heftig gestritten wurde über den Führungsstil. Debattiert wurde auch über Aussagen Yücels, der sich während des Festivals Lit.Cologne für eine Flugverbotszone in der Ukraine ausgesprochen hatte. Obwohl ein Abwahlantrag gegen Yücel scheiterte, trat er Mitte Mai überraschend vom Amt zurück.
«Wichtigtuer» und Selbstdarsteller»
«Ich will keine Galionsfigur für diese Bratwurstbude sein», hatte der 48-Jährige damals bei der Tagung in Gotha gesagt. Die Mehrheit der Mitglieder seien «Wichtigtuer und Selbstdarsteller», die den Verein gekapert hätten und für die verfolgte Autoren nur Beiwerk seien. Weltweit gibt es mehr als 140 Schriftstellervereinigungen, die im internationalen PEN vereint sind. Die drei Buchstaben stehen für die Wörter Poets, Essayists und Novelists.
Dem neuen Verein sollen laut Mitteilung unter anderem Karen Köhler («Miroloi»), Lucy Fricke («Die Diplomatin») und Ursula Krechel («Landgericht») angehören, ebenso Thea Dorn, die das «Literarische Quartett» im ZDF moderiert, Mithu M. Sanyal («Identitti»), Christian Berkel («Ada») und Feridun Zaimoglu («Hinterland»).
Die Tagung in Gotha sei nur der Kipppunkt einer längeren Entwicklung gewesen, sagte Schriftstellerin Menasse der Deutschen Presse-Agentur. In den vergangenen Jahren habe es immer wieder Streit gegeben. «Da läuft schon länger etwas schief.» Die Unverrückbarkeit bestimmter Verhältnisse sei sehr sichtbar geworden.
Kein Präsident oder Generalsekretär mehr
An dem neuen Projekt wird ihren Angaben zufolge seit Mitte Mai gearbeitet. Die Runden habe sie als konstruktiv empfunden. Heftig debattiert worden sei die Frage: «Lohnt es den Versuch, den alten PEN zu reformieren?» Eine Mehrheit sei dann für eine Neugründung gewesen. Verzichten will der PEN Berlin auf Titel wie Präsident, Vizepräsident und Generalsekretär, «die von ihrem Pomp und Dekorum abgesehen keinerlei intrinsische Notwendigkeit tragen». Stattdessen soll es ein nach Männern und Frauen paritätisch besetztes Board geben.
Dass manche auch noch Mitglied beim PEN-Zentrum sind, sieht Menasse nicht als Problem. Sie glaube, dass einige die Mitgliedschaft aus Sentimentalität erstmal behielten und schauten, wie das neue Projekt anlaufe. «Ich sehe im Moment nicht, was dagegen spricht.»
Das deutsche PEN-Zentrum mit Sitz in Darmstadt sieht die angekündigte Neugründung als Ergänzung seiner Arbeit. «Wir sehen das als Bereicherung der Arbeit des PEN in dem Bemühen, uns neu aufzustellen», sagte Generalsekretärin Claudia Guderian. Man wolle den Kontakt suchen. Ihren Angaben zufolge sind einige Autoren, die sich zu der Neugründung bekannt hätten, weiter auch Mitglieder im PEN. Es habe nur sehr, sehr wenige Austritte gegeben. Darüber hinaus habe jeder die Freiheit, einen Verein zu gründen.