Nadine Perlinger dos Santos, ehemalige Stewardess der Lufthansa-Tochter Germanwings und jetzt Zugbegleiterin der Deutschen Bahn, steht in einem ICE. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Rolf Vennenbernd/dpa)

Als Flugbegleiterin hat die Hamburgerin Sarah Charly bereits einiges erlebt. Ihre erste Airline ging pleite, und nach dem Wechsel zu einer neuen Gesellschaft kam Corona.

«Ich hab mich gefragt, was wohl als Nächstes kommen würde und mir lieber etwas Sicheres gesucht», sagt die 28-Jährige, die gerade bei der Deutschen Bahn in einem einjährigen Intensiv-Kurs zur Zugchefin ausgebildet wird.

Das staatliche Schienenunternehmen ist gerade beim Bordpersonal ständig auf der Suche nach geeigneten Bewerbern. Zugchef oder Zugchefin mit einem Jahresgehalt von anfangs rund 36 000 Euro konnte aber bis vor kurzem nur werden, wer zuvor lange Erfahrung in der Zugbegleitung gesammelt hatte. Während in einem Verkehrsflugzeug immer die Piloten das letzte Wort haben, sind in den Zügen der Bahn tatsächlich die rund 2000 Zugchefs verantwortlich für Betrieb und Sicherheit «ihres» Zuges.

Kolleginnen und Kollegen mit Führungserfahrung

Im kommenden Jahr will die Bahn mindestens 300 neue Zugchefs ausbilden, wobei ungefähr die Hälfte von außen kommen könnte. Im vergangenen März starteten in Hamburg, Stuttgart und München die ersten Pilotklassen mit zusammen rund 30 Teilnehmenden, die zum Kursbeginn angestellt wurden. «Wir suchen neue Kolleginnen und Kollegen mit Führungserfahrung, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen», sagt Alexander Thies, bei der DB Fernverkehr zuständig für den Bordservice. Gut geeignet seien beispielsweise Filialleiter aus dem Handel, Gastronomen oder eben aus der Luftfahrt die sogenannten Purser, die in der Flugzeugkabine bereits Service-Teams geführt haben.

«Du lernst unser Tarifwerk, unsere Servicestandards und die Sicherheitsbestimmungen kennen», heißt es etwas blumig in der Stellenausschreibung der Bahn. Das bedeutet, dass die Neulinge tief in das komplexe System aus Schiene und Zug eintauchen müssen. Auch wenn später im Zug sämtliche relevanten Informationen auf einem Tablet abrufbar sind, muss zunächst einmal viel gepaukt werden. Dass ihr neuer Beruf so viel mit Technik zu tun haben würde, hat auch Sarah Charly nicht wirklich geahnt. «Wer bei der Bahn einsteigen will, sollte sich darauf einstellen.»

Herausfordernder Wechsel

Den Wechsel vom Flugzeug in den ICE hat auch Nadine Perlinger dos Santos als herausfordernd erlebt. «Die Aufgaben im Zug sind umfangreicher und abwechslungsreicher.» Sie war im Oktober 2020 eine der ersten Airlinerinnen, die beruflich auf die sichere Schiene gesetzt haben, zunächst als Zugbegleiterin. «Das war absolut die richtige Entscheidung», sagt die frühere Germanwings-Stewardess, die ein Jahr später bereits vor dem nächsten Karriereschritt steht. Als nunmehr interne Bewerberin will auch sie Zugchefin werden, mittelfristig vielleicht als Coach arbeiten oder eine andere Stellung anstreben. «In so einem großen Konzern bieten sich da ganz andere Möglichkeiten», meint die Siegburgerin optimistisch.

Der Lufthansa-Konzern unterstützt das Werben der Bahn um ihre Mitarbeiter, indem sie beispielsweise Video-Calls und andere Werbeaktionen ermöglichen, wie eine Sprecherin bestätigt. Bei der Lufthansa-Kerngesellschaft mit ihrer schrumpfenden Flotte läuft gerade ein großes Abfindungsprogramm an, für das in der Kabine noch rund 2000 Flugbegleiter gesucht werden. Trotz der teils deutlichen Gehaltsabschläge könne sich der Schritt zur Bahn für viele lohnen. Anja Bronstert, Vize-Vorsitzende der Kabinengewerkschaft Ufo hat viel Verständnis für die Wechsler, auch wenn Fluggesellschaften wie die Eurowings oder Eurowings Discover bereits wieder Leute suchten. Zu niedrigen Einstiegsgehältern, wie sie hinzufügt.

Von Christian Ebner, dpa

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