Kann ein Energiepreisdeckel helfen, soziale Einrichtungen zu entlasten? (Urheber/Quelle/Verbreiter: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa-Zentralbild/dpa)

Mit Blick auf die hohen Energiepreise warnt der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, vor Gefahren für den Fortbestand sozialer Einrichtungen.

«Der sozialen Infrastruktur droht der Zusammenbruch», sagte Lilie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Es handele sich in der Regel um gemeinnützige Institutionen, die aus rechtlichen Gründen kaum Rücklagen bilden dürften und nun nicht wüssten, wie sie die gestiegenen Strom- und Gaspreise bezahlen sollten.

«Sie stehen mit dem Rücken zur Wand und können nicht noch Monate auf einen Energiepreisdeckel warten», sagte Lilie. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) plädierte dafür, den geplanten milliardenschweren «Abwehrschirm» auch für soziale Einrichtungen zu nutzen.

Forderung nach Hilfen im Herbst

Laut RND forderte Lilie die Ampel-Koalition zudem auf, Hilfen für Geringverdiener und Bezieher von Sozialleistungen auf den Herbst vorzuziehen. «Diese Menschen leben oftmals von der Hand in den Mund, weil sie nie die Chance hatten, Vermögen aufzubauen.» Sie hätten keine Möglichkeit, die hohen Energie- und Lebensmittelpreise zu kompensieren. Zwar sei es gut und richtig, den Regelsatz beim neuen Bürgergeld oder das Wohngeld ab Januar zu erhöhen, wie die Ampel-Regierung es plant. «Aber das kommt zu spät», meinte Lilie.

Ministerin Paus versicherte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (online Samstag, Print Sonntag), man habe die Auswirkungen der Energiekrise auf Einrichtungen und Träger im Blick. «Denn gemeinnützige Einrichtungen wie die Tafeln, Beratungsstellen oder Schutzeinrichtungen sind für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft unerlässlich.»

Wenn diese die explodierenden Energiekosten nicht mehr schultern könnten, treffe dies die Schwächsten – «Kinder, Jugendliche, alte Menschen, einkommensschwache Familien», zählte Paus auf. «Deshalb müssen wir den wirtschaftlichen Abwehrschirm so weit aufspannen, dass die soziale Infrastruktur darunter ebenso Schutz findet wie die Vereine und Initiativen der Zivilgesellschaft.»

Warnung vor künftigen Schuldenlasten

Der Bund der Steuerzahler warnte derweil vor künftigen Schuldenlasten und forderte Einsparungen im Bundeshaushalt. «Die aktuell weitgehend kreditfinanzierte Krisenpolitik legt die Saat für künftige Haushaltskrisen», sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). «Deshalb braucht der Bundeshaushalt ein radikales Sparprogramm – und zwar schnell und dauerhaft.»

Die Ampel-Koalition hatte einen «Abwehrschirm» von 200 Milliarden Euro angekündigt, um Verbraucher und Unternehmen zu stützen. Daraus soll unter anderem eine Gaspreisbremse finanziert werden. Das Geld soll nicht aus dem regulären Haushalt kommen, sondern – finanziert über neue Kredite – aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Dieses Sondervermögen war in der Corona-Krise zur Rettung größerer Unternehmen gebildet worden und wird nun wiederbelebt.

Holznagel wies darauf hin, dass zwischen 2020 und 2022 zur Bewältigung der Corona-Pandemie Kredite von 485 Milliarden Euro aufgenommen worden seien. Davon müssten 378 Milliarden Euro nach den Regeln der Schuldenbremse getilgt werden. Dazu kämen das kreditfinanzierte Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro und nun die 200 Milliarden Euro. «Die damit verbundenen jährlichen Tilgungspflichten laufen Schritt für Schritt auf die 20-Milliarden-Euro-Marke zu und werden der nächsten Politikergeneration und den künftigen Steuerzahlern vor die Füße gekippt», kritisierte Holznagel.

Schuldenbremse überwinden

DGB-Chefin Yasmin Fahimi dagegen begrüßte das 200-Milliarden-Sondervermögen – und forderte zugleich, «die starre und damit kontraproduktive Schuldenbremse im Bund und in den Ländern zu überwinden». Die Situation sei durch den russischen Gaslieferstopp äußerst angespannt, sagte Fahimi der «Rheinischen Post». «Was muss noch passieren, bis alle begreifen, dass die Schuldenbremse in Bund und Ländern nur unsere Zukunftschancen ausbremst?»

Fahimi argumentierte, es gebe großen Nachholbedarf bei Investitionen in Verkehrswege und Digitalisierung, im Gesundheitswesen, in Schulen und Universitäten. Sie forderte mehr finanzielles Engagement der Bundesländer etwa bei Bildung und Infrastruktur. «Die Länder könnten, wie der Bund auch, die Schuldenbremse 2022 noch aussetzen und Sondervermögen für die Zukunft schaffen», schlug sie vor.

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