Novak Djokovic ist seit 28 Spielen in Wimbledon ungeschlagen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Zac Goodwin/PA Wire/dpa)

Mit geschlossenen Augen küsste Novak Djokovic die goldene Trophäe, wünschte seiner Ehefrau einen schönen Hochzeitstag und schwärmte über den Beginn einer «wundervollen Beziehung» zu Finalgegner Nick Kyrgios.

Mit großen Gefühlen feierte der serbische Tennis-Superstar seinen vierten Wimbledon-Titel in Serie und krönte sich das insgesamt siebte Mal zum König beim Rasen-Klassiker. In einem emotionalen und hochklassigen Finale bezwang der 35-Jährige den ungesetzten Herausforderer Nick Kyrgios mit 4:6, 6:3, 6:4, 7:6 (7:3) und bejubelte seinen 21. Titel bei einem Grand-Slam-Turnier.

«Ich habe keine Worte mehr, was dieses Turnier und diese Trophäe für mich bedeuten. Jedes einzelne Mal wird es immer bedeutender und spezieller», schwärmte Djokovic und gratulierte auch dem Australier. «Du hast gezeigt, warum du einer der besten Spieler der Welt bist.»

«Jetzt ist es offiziell eine Bromance»

Dabei spielte er auch auf die lange Zeit schwierige Beziehung zu Kyrgios an, die sich erst dieses Jahr gebessert hatte, als dieser ihn in der öffentlichen Debatte um seine verweigerte Einreise zu den Australian Open unterstützt hatte. «Ich habe nie gedacht, dass ich so viele nette Sachen über dich sage. Jetzt ist es offiziell eine Bromance», sagte Djokovic über die Freundschaft unter Männern. «Hoffentlich ist es der Beginn einer wunderbaren Beziehung.»

Der Australier mit dem Bad-Boy-Image brachte sich nach starkem Start durch Debatten mit dem Schiedsrichter, Zuschauern und seinem eigenen Anhang auch selbst aus dem Rhythmus. Nach der Niederlage saß er mit leerem Blick regungslos auf seinem Stuhl. Mit einer roten Kappe auf dem Kopf holte er sich die Trophäe für den Finalisten von Herzogin Kate ab.

Kyrgios über Djokovic: «Er ist eine Art Gott»

«Er ist eine Art Gott. Ich denke, ich habe ganz gut gespielt», sagte der 27-Jährige und bedankte sich sogar bei den Unparteiischen: «Ihr wisst, ihr und ich habt eine schwierige Beziehung.» Auf die Frage, ob der größte Erfolg seiner Karriere ihn hungrig nach mehr gemacht habe, scherzte Kyrgios: «Absolut nicht, ich bin so müde.»

Nach 3:01 Stunden verwandelte Djokovic seinen dritten Matchball und freute sich bei der Siegerehrung, auch seine vier Jahre alte Tochter Tara auf dem Arm seiner Ehefrau Jelena zu sehen. Erst nächstes Jahr dürfte sein jüngstes Kind auch Spiele auf der Tribüne verfolgen.

Für Djokovic war es der vierte Titel beim Rasen-Klassiker in Serie. In der ewigen Bestenliste bei Grand-Slam-Erfolgen liegt er nur noch einen Titel hinter dem 22-maligen Sieger Rafael Nadal. Der Spanier hatte verletzt auf sein Halbfinale gegen Kyrgios verzichten müssen.

Djokovic gewann durch den Finalerfolg sein 28. Wimbledon-Spiel in Serie, nur Roger Federer hat mit acht Titeln öfter an der Church Roard triumphiert. Kyrgios verpasste hingegen den Coup als erst dritter ungesetzter Spieler nach Boris Becker 1985 und Goran Ivanisevic, Djokovic’s heutigem Trainer, 2001.

Kyrgios fordert Rauswurf von Zuschauerin

Mit Showeinlagen wie Schlägen durch die Beine und seinem Aufschlag mit bis zu 218 Stundenkilometern begeisterte Kyrgios seine Fans. Doch durch eine Privatfehde mit einer angeblich betrunkenen Zuschauerin, dessen Rauswurf er forderte, und Vorwürfen an seine Box untermauerte der 27-Jährige auch sein negatives Bild in der Öffentlichkeit.

Weniger spektakulär waren die Reaktionen nach dem überraschenden Finalsieg der Kasachin Jelena Rybakina über die Weltranglisten-Zweite Ons Jabeur aus Tunesien. Die gebürtige Russin feierte ihr 3:6, 6:2, 6:2 fast emotionslos, erst beim Gedanken an ihre Eltern flossen am Samstagabend die Tränen.

Ein «emotionales Feuerwerk» von beiden Spielern hatte Djokovic vorab versprochen – und die Stimmung auf dem komplett gefüllten Centre Court war von Beginn an bei ähnlich verteilten Sympathien prächtig. In seinem ersten Aufschlagspiel servierte Kyrgios unter dem Raunen der Zuschauer direkt von unten, Djokovic konterte nach dem Return eiskalt per Stopp am Netz.

Djokovic lässt sich nicht aus dem Konzept bringen

In der royalen Box nahm erstmals der acht Jahre alte Prinz George im dunklen Anzug mit Krawatte zwischen seinen Eltern Herzogin Kate und Prinz William Platz. Und die Familie sah einen furchtlosen Auftritt von Kyrgios, den seine drei Tage Pause nicht aus dem Tritt gebracht hatten. Stattdessen hatte erneut Djokovic wie in den vorigen beiden Runden im ersten Satz Probleme, ein Doppelfehler des Serben brachte Kyrgios das Break zum 3:2 aus Sicht des Australiers. Per Ass sicherte er sich nach nur 31 Minuten den ersten Durchgang.

Bei zwei seiner sechs bisherigen Wimbledon-Titel hatte Djokovic ebenfalls den Auftaktsatz verloren und geriet erneut nicht aus dem Konzept. Mit einem Netzroller nutzte der 35-Jährige seinen ersten Breakball zum 3:1, Kyrgios zeigte erste negative Emotionen, deutete ironisch mit dem Daumen nach oben in Richtung Tribüne. Als der Australier einen Stopp erlief und Djokovic vergeblich auf den Rasen hechtete, stand erstmals fast das komplette Publikum jubelnd auf. Djokovic wehrte vier Breakbälle ab und glich nach Sätzen aus.

Kyrgios zwischen Genie und Wahnsinn

Genie und Wahnsinn bei Kyrgios wechselten sich in immer kürzeren Abständen ab, Traumschläge folgten auf leichte Fehler. Immer öfter debattierte der umstrittene Australier mit Schiedsrichter Renaud Lichtenstein, beschuldigte eine Zuschauerin «700 Drinks» gehabt zu haben, erhielt eine Verwarnung. Beim Stand von 4:4 führte Kyrgios bereits 40:0, verlor fünf Punkte in Serie und seinen Aufschlag. Inzwischen zeterte der Australier nur noch und verlor den Satz.

Der vierte Satz wurde zum Nerven-Krimi. Kyrgios stabilisierte sich wieder, beide Spieler blieben lange bei eigenem Aufschlag konstant. Bei 5:6 und 30:30 musste Djokovic zittern. Er schaffte es in den Tie-Break und behielt die Nerven. Nachdem er wegen verweigerter Einreise die Australian Open verpasst hatte, wird es nach aktuellem Stand der einzige Grand-Slam-Triumph dieses Jahres für Djokovic bleiben, da er ungeimpft auch nicht zu den US Open reisen darf.

Von Florian Lütticke, dpa

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