Messestände vom Partnerland Portugal werden in der Messehalle 2 aufgebaut. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Julian Stratenschulte/dpa)

Die deutsche Elektro- und Digitalbranche hofft bei der Hannover Messe auf einen Stimmungsschub inmitten der eher trüben Gemengelage aus Kriegsfolgen, Lieferkettenstress und Handelsproblemen.

«Mit Blick auf Corona können wir in Europa hoffentlich den nächsten Herbst durchstehen, ohne wieder Lockdowns verhängen zu müssen», sagte der Präsident des Branchenverbands ZVEI, Gunther Kegel, der Deutschen Presse-Agentur. «Anders in China: Dort zeichnet sich gerade ab, dass die Null-Covid-Strategie scheitert. Der mehrwöchige Stillstand in Shanghai wird einen Schock durch die Lieferketten der Welt jagen, dessen Folgen wir erst in sechs bis acht Wochen sehen werden.» Kegel warnte: «Da kommt noch etwas auf uns zu.»

Die wichtigste Industrieschau der Welt wird am Sonntagabend eröffnet. Sie ist nach einer pandemiebedingten Absage 2020 und einer Online-Ausgabe 2021 verkürzt und dauert bis zum Donnerstag.

Eigentlich sind die Hersteller von Elektro- und Digitaltechnik sowie Elektronik in einer guten Position, weil viele ihrer Produkte auf die großen Themen erneuerbare Energien, CO2-Verringerung, Digitalisierung und Effizienzsteigerung zugeschnitten sind. Doch die aktuellen Krisen überschatten den prinzipiell optimistischen Ausblick ein wenig.

«Wenn man die Lieferung nicht zum Kunden bekommt, kann man auch keine Rechnung stellen», meinte Kegel zum stockenden China-Handel aus Sicht der Exporteure. «Fehlende Zahlungseingänge werden sich für viele Mittelständler noch übel bemerkbar machen.» Ob wegen höherer Kosten am Ende auch Verbraucher mehr zahlen müssen, sei nicht genau abzusehen. «Die Elektro- und Digitalindustrie ist insgesamt nicht so energieintensiv wie manche anderen Branchen. Die Energiekosten in den Produktkalkulationen sind oft also gar nicht so hoch – auch wenn es Ausnahmen gibt.» Allgemeine Preiseffekte hätten derzeit vor allem einen anderen Ursprung: die «mangelnde Versorgung mit Halbleitern, die Unternehmen nachbestellen müssen, wo diese noch erhältlich sind».

In Teilen der Auto- und Maschinenbauindustrie hatte man erwartet, dass sich die Lieferprobleme bei den überall verbauten Mikrochips in der zweiten Jahreshälfte entspannen. «Die Mangelversorgung wird sich wohl aber noch bis 2023 ziehen», schätzt Kegel. «Das hat sich durch die Lockdowns in China deutlich verschärft. Auch viele internationale Chiphersteller sind von den Engpässen in Shanghai massiv betroffen. Ich befürchte, dass sich dies abermals negativ auf die Versorgungslage auswirken wird.» Gleichzeitig gelte: «Zurzeit sitzt die Elektro- und Digitalindustrie auf gigantischen Auftragsbüchern.»

Für Deutschland habe der Krieg in der Ukraine die Konsequenz, dass der Ökostromausbau nicht mehr verzögert werden dürfe, mahnte Kegel. «Wenn Strom aus erneuerbaren Quellen der wichtigste Energieträger der Zukunft ist, dürfen wir ihn nicht durch zusätzliche Abgaben belasten.» Das Auslaufen der EEG-Umlage zur Jahresmitte sei positiv. «Aber es müssen noch weitere Schritte folgen – auch damit Anreize geschaffen werden, wenn sich Industrie und Verbraucher von fossilen zu elektrischen Energieformen bewegen.»

Russland und die Ukraine sind für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie keine vergleichbar wichtigen Absatzmärkte wie für andere Branchen des verarbeitenden Gewerbes. Insgesamt entfallen gut 2 Prozent des Außenhandels der Branche auf die beiden Länder. «Der direkte Schaden ist für uns insofern relativ gering», sagte Kegel.

Zudem werde das beschleunigte Umschwenken in Richtung Erneuerbare die Nachfrage nach Elektro- und Digitaltechnik stützen. «Deshalb glauben wir, dass wir an unserer Prognose eines Wachstums von 4 Prozent in diesem Jahr festhalten können. Schwierig könnte es werden, falls der Krieg im kommenden Jahr noch nicht beendet sein und es eine Spirale von weiteren Sanktionen und Gegensanktionen geben sollte.»

Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sei ein zentraler Punkt, für den man die Hannover Messe als Forum nutzen wolle. Kegel nannte die Beispiele Stahl und Chemie, wo es bewährte Verfahren für den Ersatz von Kokskohle und Gas durch Wasserstoff gebe. «Wir brauchen diesen im Umbau unserer Grundstoffindustrien, wenn diese mittelfristig CO2-neutral werden sollen. Da müssen wir ran. Alle anderen weiterverarbeitenden Industrien hängen daran. Und dies muss politisch weiter gefördert werden, damit die Unternehmen in Deutschland wettbewerbsfähig bleiben.» Hierzu gehöre auch, den Fachkräftemangel in den Ingenieurberufen noch ernster zu nehmen.

«Wir freuen uns auf die Messe», sagte der ZVEI-Chef. «Echte Messen haben uns viel mehr gefehlt, als wir anfangs vermutet hatten. Das breitere Tor in die Öffentlichkeit war nicht mehr da. Kundenkontakt und Wettbewerb um Lösungen ist auf einer Messe besser zu leisten.»

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