Die Flagge der EU: Um sich von fossilen Brennstoffen aus Russland zu lösen und lieber in erneuerbare Energien zu investieren, werden Gelder neu geordnet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa)

Die Bundesregierung hat sich in der Diskussion über eine europäische Antwort auf die Energiekrise gegen neue gemeinsame EU-Kreditmaßnahmen positioniert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verwies vor Journalisten in Berlin darauf, dass der Wiederaufbaufonds aus der Corona-Krise noch nicht ausgeschöpft sei. «Da haben wir ein riesiges Programm von zusammen 750 Milliarden Euro, von dem das allermeiste Geld noch nicht in Anspruch genommen worden ist, aber gerade jetzt besonders wirksam sein kann», sagte der SPD-Politiker am Dienstag. Diese Mittel könnten jetzt helfen.

Die Finanz- und Wirtschaftsminister einigten sich am Dienstag in Luxemburg darauf, Gelder aus dem Corona-Aufbaufonds teils für Investitionen in die Energiewende umzufunktionieren. Die EU-Kommission hatte im Mai angekündigt, dass noch 225 Milliarden Euro an Darlehen aus dem Corona-Aufbauinstrument RRF dafür zur Verfügung stünden. Zusätzlich wollen die Minister 20 Milliarden aus anderen Quellen bereitstellen. Das Vorhaben muss noch mit dem EU-Parlament verhandelt werden.

Verschiedene Positionen

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) äußerte sich skeptisch gegenüber neuen EU-Kreditmaßnahmen. «Diese Krise unterscheidet sich von der Corona-Pandemie sehr deutlich», sagte Lindner am Rande des Treffens in Luxemburg. Instrumente, die während der Corona-Pandemie eingesetzt worden seien, könne man nicht eins zu eins auf das gegenwärtige Szenario anwenden.

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni scheint anderer Meinung zu sein. «Wenn wir eine Zersplitterung vermeiden und diese Krisen bewältigen wollen, brauchen wir meiner Meinung nach ein höheres Maß an Solidarität und müssen andere gemeinsame Instrumente einführen», sagte Gentiloni am Dienstagmorgen in Luxemburg. Er nannte als Beispiel das Sure-Programm, welches in der Pandemie besonders ärmeren Ländern Kurzarbeitprogramme durch günstige EU-Kredite ermöglicht hat. Es besteht separat vom Corona-Aufbaufonds. Lindner hält Vorschläge, die sich an das Sure-Programm anlehnen, derzeit jedoch nicht für geeignet, wie er in Luxemburg klarstellte.

Deutschland hatte zuvor viel Kritik für den von Kanzler Scholz als «Doppelwumms» bezeichneten Abwehrschirm über bis zu 200 Milliarden Euro geerntet, der Haushalte und Unternehmen angesichts der hohen Energiepreise schützen soll. Da Russland kaum noch Gas an Europa liefert, sind die Gas- und auch die Strompreise stark angestiegen. Länder wie Italien, Spanien und Luxemburg hatten das deutsche Paket als Alleingang gewertet und europäische Maßnahmen gefordert. Es wurde etwa befürchtet, dass Deutschland sich dadurch einen Vorteil gegenüber anderen Ländern verschaffen könnte.

Gentiloni und sein Kollege, Industriekommissar Thierry Breton, schrieben in einem Gastbeitrag in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», das deutsche Paket werfe Fragen auf. «Was heißt das für die Mitgliedstaaten, die nicht über denselben haushaltspolitischen Spielraum wie Deutschland verfügen, um ihre Unternehmen und Haushalte vergleichbar zu unterstützen?» Man müsse mehr denn je vermeiden, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verzerren, schrieben die Kommissare.

Lindner verteidigt sich gegen Kritik

Lindner verteidigte sich gegen die Kritik am deutschen Paket. «Unsere Maßnahme ist zielgerichtet und bezieht sich auf die Jahre 2022, 2023 und 2024.» Nach Ansicht des FDP-Politikers steht es in Relation zur deutschen Wirtschaftsmacht. «Es ist proportional, wenn man die Größe und die Vulnerabilität der deutschen Wirtschaft betrachtet.»

Mit dem Abwehrschirm will die Bundesregierung Verbraucher und Unternehmen vor hohen Energiepreisen wegen des Ukraine-Kriegs schützen – etwa durch Hilfen für Unternehmen und vergünstigten Strom und Gas für Haushalte und Firmen. Viele Details sind aber noch offen. Daher lässt sich noch nicht sagen, ob das Paket tatsächlich gegen die europäischen Wettbewerbsregeln verstößt.

Lindner machte sich zudem für europäische Gaseinkäufe stark, um das Angebot von Gas auszuweiten. «Wir müssen beim gemeinsamen Gaseinkauf Fortschritte machen», sagte Lindner. Darauf hatten sich die EU-Staaten bereits im März geeinigt, eine gemeinsame Koordinierungsplattform hat jedoch bislang wenig Konkretes geliefert.

Die Diskussion um europäische Maßnahmen in der Energiekrise wird spätestens Ende der Woche beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Prag weiterlaufen. Im Gespräch ist unter anderem auch ein europäischer Gaspreisdeckel, den über die Hälfte der Staaten inzwischen fordern, die Bundesregierung bislang allerdings skeptisch sieht.

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