Anlässlich der Mindestlohnerhöhung und mit Blick auch auf die Energiepreiskrise plädiert die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken für deutliche Erhöhungen der Tariflöhne. «Der Mindestlohn ist immer auch ein Impuls für höhere Tariflöhne – das ist derzeit besonders wichtig», sagte Esken der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Samstag). «Die Gewerkschaften, die jetzt in Tarifauseinandersetzungen gehen, sollten deutlich machen, dass Abschlüsse die Teuerungsrate abbilden müssen.»
Millionen Beschäftigte in Deutschland bekommen seit Samstag mehr Geld für ihre Arbeit. Der Mindestlohn ist zum 1. Oktober von 10,45 Euro auf 12 Euro je Stunde gestiegen. Eine weitere deutliche Anhebung erwarte sie «auch beim Mindestlohn, wenn die zuständige Kommission ihn für nächstes Jahr festlegt», sagte Esken.
Kritik kam vom Arbeitgeberverband BDA. «Die Äußerung der SPD-Chefin entlarvt das Gerede vom einmaligen Eingriff in die Arbeit der Mindestlohnkommission», sagte Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter am Samstag. Wer nach der Mindestlohnerhöhung gleich eine weitere politische Vorgabe für die Kommissionsarbeit setze, zeige «nicht nur ökonomische Unkenntnis, sondern auch mangelnden Respekt» vor der Arbeit von Gewerkschaften und Arbeitgebern. «Die SPD-Chefin möchte die Tarifpolitik im Deutschen Bundestag direkt gestalten. Man sollte dem Einhalt gebieten.»
Weitere Eingriffe der Regierung soll es nicht geben
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte zuvor versichert, einen weiteren politischen Eingriff in die Mindestlohnentwicklung habe man nicht vor. «Für weitere Erhöhungsschritte wird die Mindestlohnkommission wieder ihre wichtige Aufgabe übernehmen», sagte der SPD-Politiker der Funke Mediengruppe (Samstag). Normalerweise bestimmt die Mindestlohnkommission bestehend aus Vertretern der Sozialpartner die Höhe. Die Anhebung auf 12 Euro basiert aber auf einem bislang einmaligen Eingriff der Regierung.
Der Mindestlohn bleibe immer eine absolute Lohnuntergrenze, sagte Heil weiter. «Um zu besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen zu kommen, müssen wir die Tarifbindung in Deutschland voranbringen. 52 Prozent sind zu wenig.»
Ifo-Chef Clemens Fuest warnte angesichts der Mindestlohnerhöhung vor einer weiteren Inflationssteigerung. «Soweit der Mindestlohn das Einkommen von vulnerablen Gruppen im untersten Einkommensbereich erhöht, ist er hilfreich», sagte der Wirtschaftsforscher der Düsseldorfer «Rheinischen Post» (Samstag). «Allerdings belastet er vor allem kleine Unternehmen, die ohnehin unter steigenden Energiepreisen leiden. Sie werden die höheren Löhne soweit möglich durch höhere Preise überwälzen, dadurch verstärkt sich die Inflation.»
Der Mindestlohn steige nominal – also ohne Berücksichtigung der Preisentwicklung – um rund 15 Prozent, sagte Fuest. Vor dem Hintergrund der aktuellen Inflationsentwicklung reduziere sich die reale Lohnerhöhung auf 5 Prozent.