Der Europäisches Gerichtshof (EuGH) stärkt den Anspruch auf Schadenersatz bei psychischen Erkrankungen: Fluglinien haften nach einem Unfall nicht nur für körperliche, sondern auch für psychische Beeinträchtigungen. Das entschied der EuGH am Donnerstag in Luxemburg. Die Passagiere müssen dazu aber nachweisen, dass die psychischen Folgen nicht ohne ärztliche Behandlung abklingen können. Zudem müssten diese so schwer sein, dass sie sich auf die Gesundheit allgemein auswirkten.
Hintergrund des Urteils der Luxemburger Richter ist ein Fall aus Österreich. Ein Triebwerk war beim Start des Flugzeugs explodiert. Bei der anschließenden Bergung stieg eine Frau über den Notausstieg am rechten Flügel aus. Da das Triebwerk jedoch noch in Bewegung war, wurde sie durch die aus der Maschine ausströmende Luft mehrere Meter durch die Luft geschleudert.
Sie verlangt nun Schadensersatz, weil sie durch den Unfall an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Die Airline argumentierte, dass im betreffenden internationalen Abkommen nur Schadenersatz für Körperverletzungen im eigentlichen Sinne vorgesehen sei – für psychische Folgeerkrankungen aber nicht.
Richter fordern einen «gerechten Interessensausgleich»
Dem folgte der EuGH nicht. Zwar bestehe im vorliegenden Fall kein Zusammenhang mit einer Körperverletzung in ihrer gewöhnlichen Bedeutung. Allerdings könne die Lage eines Fluggasts, der durch einen solchen Unfall psychisch krank werde, mit einer Körperverletzung vergleichbar sein. Ziel des internationalen Abkommens, mit dem die Fluglinie argumentierte, sei gerade der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. Dazu gehöre auch ein angemessener Schadenersatz, der die Gleichbehandlung der Fluggäste erfordere. Der Verbraucherschutz würde daher ins Leere laufen, wenn physische und psychische Beeinträchtigungen unterschiedlich behandelt würden.
Die Richter grenzten die Schadenersatzpflicht aber ein und forderten einen «gerechten Interessensausgleich». Die Fluglinien müssten auch geschützt sein gegen betrügerische Schadenersatzklagen; ihnen dürfte keine übermäßige, schwer berechenbare Ersatzpflicht aufgebürdet werden, die ihre wirtschaftliche Tätigkeit gefährden könnte. Daher liegt die Beweislast bei den Passagieren: Er oder sie muss nachweisen, dass das Trauma durch den Unfall entstanden und so schwer ist, dass ärztliche Behandlung nötig ist.
Nun geht der Fall zurück an das österreichische Gericht, das endgültig über den Fall entscheidet. Es muss aber die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigen.