Nach der Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz einer sogenannten konzertierten Aktion mit Arbeitgebern und Gewerkschaften bleiben offene Fragen zum Ziel der geplanten Beratungen.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) warnte am Donnerstag vor einem staatlichen Eingriff in die Tarifautonomie. «Schon die Einladung macht deutlich, dass am Ende Zurückhaltung bei den Lohnforderungen erwartet wird», kritisierte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch.
Im Zusammenhang mit den steigenden Verbraucherpreisen hatte Scholz am Mittwoch verkündet, dass er Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu einer «konzertierten Aktion» zusammenrufen wolle. «Gemeinsam mit den Sozialpartnern wollen wir diskutieren, wie wir mit der aktuellen Preisentwicklung umgehen», sagte der SPD-Politiker. Es gehe um eine «gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen Situation». Weitere Details – etwa zum Zeitplan – gab es zunächst nicht.
Genaue Stoßrichtung noch unklar
Die Bundesregierung werde kurzfristig über die weiteren Details informieren, hieß es am Donnerstag auf dpa-Anfrage aus dem Kanzleramt. Aus Gewerkschaftskreisen war zu erfahren, dass noch Unklarheit über die konkrete Stoßrichtung herrsche. Vertreter von jeweils vier Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie der Bundesbank sollen demnach in Kürze eine Einladung des Kanzlers erhalten. Einen Termin gebe es noch nicht. Auch das Portal The Pioneer hatte über diese Zusammensetzung berichtet. Eine Bestätigung des Kanzleramts gab es zunächst nicht.
Der Begriff der konzertierten Aktion ist aus Zeiten der ersten großen Koalition bekannt. Angesichts der ersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik rief Wirtschaftsminister Karl Schiller 1967 Vertreter von Regierung, Bundesbank, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften an einen Tisch. «Konzertiert» meint «verabredet» – also den Versuch, Interessen freiwillig abzustimmen und in Einklang zu bringen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Arbeitgeber hatten den Vorstoß begrüßt. DGB-Chefin Yasmin Fahimi mahnte aber, dass Tarifverhandlungen nicht im Kanzleramt geführt werden dürften. Scholz hatte schon bei der Ankündigung versichert, dass es keine Lohnverhandlungen geben werde.
Eindruck durch Beifall noch bestärkt
EVG-Funktionär Loroch fürchtet aber eine Einflussnahme. «Dass die Arbeitgeber schon jetzt Beifall klatschen, unterstreicht diesen Eindruck.»
Die EVG kämpft ab Februar kommenden Jahres für bessere Lohnabschlüsse in rund 50 Unternehmen. Auch andere wichtige Tarifrunden stehen im kommenden Jahr an – etwa im öffentlichen Dienst. «Die gestiegenen Preise sind keine Folge von Lohnerhöhungen», bekräftigte Loroch. «Mit diesem Vorurteil muss endlich mal aufgeräumt werden.» Die Beschäftigten bei Bus und Bahn erwarteten angesichts dramatisch steigender Preise ein deutliches Plus bei den anstehenden Lohnverhandlungen.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Mittwoch betont, dass die gestiegenen Energiepreise in erster Linie auf den russischen Angriff auf die Ukraine zurückzuführen seien. Dazu kämen weitere Faktoren wie unterbrochene Lieferketten. Die Frage, die zur konzertierten Aktion leite, laute, wie die Lasten gerecht verteilt werden könnten.
Der Grünen-Politiker betonte, Tarifautonomie sei ein hohes Gut. Die Sozialpartner verhandelten über Lohnabschlüsse. In Ausnahmesituationen könne sich die Politik aber nicht einfach zurückzulehnen, sondern dazu beitragen, dass es zu guten Einigungen komme.