Container im Hamburger Hafen. Der weltweite Teilemangel dämpft das Auslandsgeschäft der deutschen Industrie. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marcus Brandt/dpa)

Materialmangel und Lieferengpässe bremsen die Exportnation Deutschland aus. Im September lieferten heimische Unternehmen im zweiten Monat in Folge weniger Waren «Made in Germany» ins Ausland als im Vormonat.

Die erhoffte rasche Erholung der deutschen Wirtschaft nach dem Corona-Schock 2020 gerät zusehends ins Stocken.

Auch die Wirtschaftsweisen werden ihre Wachstumsprognose für Europas größte Volkswirtschaft für das Gesamtjahr 2021 von 3,1 Prozent auf 2,7 Prozent senken. Das geht aus dem für Mittwoch angekündigten Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hervor, das mehreren Medien und auch der Deutschen Presse-Agentur vorab vorlag.

Eingeschränkte Lieferketten

«Derzeit stören vielfältige angebotsseitige Engpässe die globalen Wertschöpfungsketten und dämpfen zusammen mit weiterhin bestehenden pandemiebedingten Einschränkungen das Wachstum», schreibt das Expertengremium. «Der Sachverständigenrat erwartet, dass sich insbesondere die Industrieproduktion zum Teil ins nächste Jahr verschiebt.»

Im Laufe des ersten Quartals 2022 dürfte das Bruttoinlandsprodukt nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen das Vorkrisenniveau wieder erreichen. Für das Gesamtjahr 2022 erwartet das Gremium 4,6 Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland. Größtes Fragezeichen dabei: Die weitere Entwicklung der Pandemie und eventuelle Einschränkungen des öffentlichen Lebens.

Die Exporte sanken von August auf September des laufenden Jahres nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Dienstag kalender- und saisonbereinigt um 0,7 Prozent. Für August hatte die Wiesbadener Behörde einen Rückgang um 1,2 Prozent errechnet – es war das erste Minus im Auslandsgeschäft seit Mai 2020.

Höhere Preise für den Transport

Insgesamt führten deutsche Unternehmen im September nach Berechnungen der Statistiker Waren im Wert von 117,8 Milliarden Euro aus. Im Vergleich zum von der Corona-Krise geprägten September 2020 war dies ein Anstieg um 7,1 Prozent. Die Einfuhren legten im Jahresvergleich um 12,9 Prozent auf 101,6 Milliarden Euro zu.

«Die Folgen der angespannten Lieferketten machen sich stärker bemerkbar. Unternehmen müssen höhere Preise zahlen, damit ihre Ware überhaupt transportiert wird. Und das spüren die Kunden am Ende», erklärte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura. Auch die Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten sowie höhere Energiepreise führten zu einer Verteuerung. «Wir rechnen daher damit, dass sich der Außenhandel zum Jahresende abkühlen wird.»

Zwar sind die Auftragsbücher vieler Unternehmen gut gefüllt. Doch weil Materialien oder Vorprodukte fehlen, können die Bestellungen teilweise nicht abgearbeitet werden. Staus an Häfen und fehlende Containerkapazitäten behindern die Exporte zudem.

Nachgeholter Konsum

«Die Spannungen in der Lieferkette haben die deutschen Exporte im Laufe des Sommers eingeholt», analysierte Carsten Brzeski, Deutschland-Chefvolkswirt der ING. Getragen wurde das Wirtschaftswachstum zuletzt vor allem vom nachgeholten Konsum vieler Verbraucher nach der Lockerung von Corona-Beschränkungen. «Für einen grundlegenderen Aufschwung der Industrieproduktion und der Exporte müssen die Spannungen in der Lieferkette überwunden werden», erklärte Brzeski. «Dies werden wir erst im Laufe des Jahres 2022 sehen.»

Einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge erwarten Deutschlands Einzelhändler Lieferprobleme bis weit in den Sommer 2022 hinein. Im Schnitt rechnen Händler demnach damit, dass die Engpässe weitere zehn Monate andauern werden. Am pessimistischsten sind Fahrradhändler, die bis ins übernächste Jahr mit Nachschubproblemen rechnen. Möbelhändler erwarten noch gut ein Jahr Lieferschwierigkeiten, Spielzeugläden gehen von rund elf, Baumärkte von über zehn Monaten aus.

«Die Produktauswahl wird zu Weihnachten und lange danach eingeschränkt sein», sagt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Die Lieferprobleme werden sich laut Institut auch in den Preisen im Weihnachtsgeschäft niederschlagen: Ein Großteil der Unternehmen habe Preiserhöhungen angekündigt.

Immerhin: Auf Jahressicht liegen die deutschen Exporte nach dem schwachen Vorjahr noch im Plus. Von Januar bis einschließlich September 2021 summierten sich die Ausfuhren auf 1010,5 Milliarden Euro – ein Plus von 14,6 Prozent zum Vorjahreszeitraum.

Mangel an Halbleitern

Allerdings wächst die Skepsis: China und den USA «als bisherigen Lokomotiven der Weltwirtschaft» gehe «etwas der Dampf aus», sagt der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier. «Angesichts der gedämpften Aussichten im internationalen Geschäft werden die Exporte in diesem Jahr das Vorkrisenniveau sicherlich nicht erreichen können.»

«Solange nicht genügend Materialien für die Produktion verfügbar sind, wird es keine Exporthöhenflüge geben», meint auch der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. «Besonders schwer wiegt der Mangel an Halbleitern, da er die Automobilindustrie ausbremst.» Gitzels Fazit: «Das Minus bei den Ausfuhren macht nochmals deutlich, dass schwierige konjunkturelle Monate vor uns liegen. Der Materialmangel ist derzeit eine Bürde für das Wachstum.»

Von Jörn Bender, dpa

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