Steigende Inflationsraten haben den Druck auf Europas Währungshüter erhöht. Immer drängender werden Forderungen nach einem Ende der Geldflut.
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) will an diesem Donnerstag entscheiden, wie es mit den milliardenschweren Anleihenkäufen der Notenbank weitergeht. Verkündet werden die Beschlüsse am Nachmittag.
Nach bisheriger Planung läuft das zur Abfederung des Corona-Schocks aufgelegte Kaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) mit einem Volumen von 1,85 Billionen Euro im März 2022 aus. Bereits nach der vorigen Sitzung des obersten Entscheidungsgremiums der Zentralbank Ende Oktober hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde gesagt: «Ich gehe davon aus, dass PEPP im März enden wird.»
Unsicherheiten wegen Corona nehmen wieder zu
Beendet wäre der umstrittene Kauf von Staatsanleihen durch die EZB damit aber nicht: Zum einen hat sich die Notenbank bereits festgelegt, dass sie Gelder aus fällig werdenden Wertpapieren auch nach einem formalen Auslaufen von PEPP neu anlegen wird. Zum anderen sind Anleihenkäufe inzwischen fester Bestandteil des Werkzeugkastens der EZB. Im EZB-Rat gibt es zudem Sympathien für die Idee, die Flexibilität des Notkaufprogramms PEPP auf andere Anleihenkäufe zu übertragen.
Dazu kommt: Die Unsicherheiten für den wirtschaftlichen Ausblick haben wieder zugenommen angesichts der neuen Coronavirus-Variante Omikron. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos hatte jüngst in einem Interview in Aussicht gestellt, dass die Notenbank die Wirtschaft auch 2022 mit Anleihenkäufen unterstützen wird: «Ich bin zuversichtlich, dass diese Nettokäufe während des nächsten Jahres weitergehen.» Er sei der Meinung, dass die Geldpolitik auch nach einem Ende des PEPP unterstützend bleiben müsse, «da einige der Narben, die die Pandemie hinterlassen hat, noch nicht richtig verheilt sind».
Somit rückt eine Anhebung des seit nunmehr fast sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent zementierten Leitzinses im Euroraum weiter in Ferne. Die Anleihenkäufe helfen Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Kritiker werfen der EZB vor, mit ihrer Geldflut die Inflation anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will.
Teuerungsraten
Sowohl in Deutschland als auch im Euroraum haben sich die Teuerungsraten in den vergangenen Monaten immer weiter vom Ziel der EZB entfernt. Die Notenbank will mittelfristig im Währungsraum bei einer Inflation von 2 Prozent für stabile Preise sorgen. Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft, Verbraucher können sich für einen Euro dann weniger kaufen als zuvor.
Die EZB erklärt den sprunghaften Anstieg der Teuerung vor allem mit Sonderfaktoren, die sich im nächsten Jahr abschwächen sollten: etwa die Erholung der Ölpreise nach dem Corona-Schock und Lieferengpässe infolge gestiegener Nachfrage. Zudem schlage derzeit die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung in Deutschland durch. An diesem Donnerstag veröffentlicht die EZB auch ihre neuesten Prognosen zur Entwicklung von Inflation und Konjunktur im Euroraum.
Der scheidende Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte wiederholt gemahnt, das Risiko einer zu hohen Inflation nicht zu unterschätzen. Die Geldpolitik solle «nicht zu lange an ihrem derzeit sehr expansiven Kurs festhalten». An diesem Donnerstag hat Weidmann ein letztes Mal Gelegenheit, im EZB-Rat für seine Position zu werben: Er gibt sein Amt nach gut zehn Jahren zum 31. Dezember vorzeitig auf und scheidet damit auch aus dem höchsten EZB-Entscheidungsgremium aus.