Wann muss Kind 1 zum Arzt, wir brauchen noch ein Geschenk für den Geburtstag der Freundin von Kind 2 – und da war doch noch was… Ach ja, Infoabend in der Schule. Diese Art von Gedankenkarussell kennen viele Eltern, besonders Mütter.
Denn sie kümmern sich um Arzttermine, Hausaufgaben, Spielverabredungen – oft zusätzlich zum eigenen Job. Das alles läuft meist unsichtbar im Hintergrund ab, bedeutet aber kognitive und emotionale Dauerbelastung («Mental Load») durch Planungs-, Organisations- und Erinnerungsarbeit im Familienleben, erklärt Prof. Petra Beschoner, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin.
Beispiel Schule: Laut einer aktuellen Umfrage sieht die Hälfte aller Eltern (47 Prozent) die Hauptverantwortung für schulische Themen bei den Müttern (bei Vätern 8 Prozent, bei beiden Elternteilen 36 Prozent).
Mehr als die Hälfte der befragten Mütter (58 Prozent) schränkt sich beruflich ein, um den schulischen Anforderungen ihrer Kinder gerecht zu werden. Für 53 Prozent der Mütter sind diese Themen ein täglicher Gedanke, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage von YouGov im Auftrag des Bildungsanbieters Studienkreis. Und oft sei das verbunden mit Angst zu versagen oder schlechtem Gewissen
Die Folgen: psychische Überlastung, Konflikte mit dem Partner und gestresste Kinder. 64 Prozent der Eltern berichten von Spannungen in der Beziehung, 85 Prozent spüren, dass der elterliche Stress auf die Kinder übergeht.
Dabei sind schulische Belange nur ein Teil dessen, was im Familienalltag wichtig ist – und gemacht werden muss.
Schieflage und Dauerstress
Ein zentrales Problem: Die mentale Last wird nicht als gleichwertige Verantwortung wahrgenommen – und bleibt damit oft unsichtbar, so Petra Beschoner. Ein weiterer Grund liegt in der Kommunikation.
«Oftmals warten Männer auf konkrete Anweisungen. Bleiben diese aus, entziehen sich viele der Verantwortung», erklärt die Ärztliche Leiterin der Akutklinik Bad Saulgau: Statt selbst vorausschauend zu handeln, kommen vermeintlich praktische Rückfragen wie «Kann das in den Trockner?» oder «Wo ist der Turnbeutel?».
Was wie Zusammenarbeit klingt, ist eigentlich Ausdruck dafür, dass es eine Art Schieflage bei Verantwortlichkeiten gibt – und damit bei der Belastung. Und das hat Folgen, kann sogar krank machen, körperlich wie seelisch.
«Mental Load versetzt den Körper in einen konstanten Alarmzustand», erklärt die Fachärztin. «Selbst in ruhigen Momenten ist der Kopf im Planungsmodus, was zu einem schleichenden Erschöpfungszustand führt.» Mental Load bedeutet auch ein wachsendes Gesundheitsrisiko: Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme, Reizbarkeit, Burn-out, Depression.
Wie können Mütter – besser: Eltern – dem entgegenwirken?
1. Sich klar werden und sagen, was los ist
Der erste Schritt zu weniger Mental Load beginnt mit einem einfachen Satz, so Petra Beschoner:
«Ich will das nicht mehr allein tragen.»
Das sollte man Partner oder Partnerin offen sagen, und in Ruhe darüber reden, dass man überlastet ist.
2. Aufgaben sichtbar machen
Der zweite Schritt besteht darin alle Aufgaben zu sammeln, so wird Verantwortung und damit auch der Mental Load erkennbar, erklärt die Fachärztin – etwa mit Post-its an der Kühlschranktür, einem gemeinsamen Familienkalender oder digitalen To-do-Listen.
3. Verantwortung verteilen
Wer macht was? Im dritten Schritt geht es «nicht darum, Hilfe zu bekommen – sondern um geteilte Verantwortung», betont Petra Beschoner. Entscheidend sei, dass man(n) weg von «Sag mir, was ich tun soll» und hin zu «Ich übernehme das komplett» kommt.
So könnten Väter feste Aufgabenbereiche übernehmen: Kita-Kommunikation, Geschenkplanung, Hausaufgabenbetreuung.
Ein weiterer Praxis-Tipp: eine wöchentliche Planungsrunde, in der Termine und Verantwortlichkeiten neu sortiert werden. Sämtliche Familientermine sollten nicht nur gemeinsam organisiert, sondern auch für alle jederzeit einsehbar werden, rät das nordrhein-westfälische Familienministerium.
Und weiter: Alle Beteiligten müssen sich darüber bewusst sein, was es heißt, eine Aufgabe eigenverantwortlich von der Planung bis zur Durchführung zu übernehmen, also «ohne zusätzliche Erinnerungen oder (mütterliches) Coaching».
4. Loslassen
Auch wichtig: loslassen. Das müssen viele Mütter erst üben. «Man darf dem Partner auch zutrauen, dass er sich kümmert – selbst wenn es anders läuft als gewohnt. Was soll schon passieren? Niemand wird sterben und die Welt geht auch nicht unter», so Beschoner.
5. Pragmatismus statt Perfektionismus
Schließlich kann es auch helfen, die Ansprüche an sich selbst und vielleicht auch den anderen etwas runterzuschrauben: «Ein bisschen weniger Perfektionismus tut sicher allen gut», heißt es auf dem NRW-Familienportal: «Es ist okay, einen Kuchen für das Schulfest mal nicht selbst zu backen, sondern vielleicht einfach frisches Obst zu spendieren.»
Und zwar ohne schlechtes Gewissen. Petra Beschoner betont: «Selbstfürsorge ist kein Egoismus, sondern eine wichtige Voraussetzung für ein gesundes Familienleben. Am Ende gilt: Verantwortung abgeben, Hilfe einfordern, Grenzen setzen.» Wer das verinnerliche, schaffe Raum für sich und sei auf dem besten Weg, aus einer Familie ein echtes Team zu machen.