Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP):  Seine Partei macht einen Kompromiss bei den Flottengrenzwerten vom Einsatz von E-Fuels abhängig. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/dpa)

Die FDP mit Verkehrsminister Volker Wissing an der Spitze stemmt sich gegen ein Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor in der EU ab 2035. Wissing drohte am Dienstag damit, dass Deutschland einem auf EU-Ebene bereits erzielten Kompromiss doch nicht zustimmen könnte. Die FDP pocht darauf, dass Autos mit Verbrennungsmotor nach 2035 weiter zugelassen werden – wenn sie sogenannte E-Fuels tanken.

Wissing sagte in Berlin, die EU-Kommission müsse liefern und Zusagen einhalten. Es gehe um eine Zulassung von Verbrennern nach 2035, wenn sie nachweislich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden. Die Kommission solle einen entsprechenden Regulierungsvorschlag machen. Ansonsten werde Deutschland bei der für kommende Woche Dienstag geplanten Abstimmung im Rat der EU-Staaten nicht zustimmen.

Sprengstoff für die Ampel-Koalition

Wissing betonte, dass man nicht ein Verbrenner-Aus beschließen und dann auf das «Prinzip Hoffnung» setzen werde. Wenn es unterschiedliche Auffassungen in der Ampel-Koalition gebe, müsse Deutschland sich enthalten, dies hätte «entsprechende Auswirkungen».

Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments hatten sich im Oktober darauf verständigt, dass ab 2035 in der EU keine neuen Pkw mit Verbrenner mehr zugelassen werden dürfen. Das Europaparlament billigte die Einigung vor zwei Wochen. Die Zustimmung des Rats der EU-Staaten steht noch aus und ist für kommenden Dienstag angesetzt.

Eigentlich ist das eine Formalie. Ohne die deutsche Zustimmung könnte die erforderliche Mehrheit aber wackeln – und die EU-Staaten müssten gegebenenfalls erneut mit dem Europaparlament über das Verbrenner-Aus verhandeln. Allerdings ist EU-Kreisen zufolge unklar, ob das Vorhaben ohne das deutsche Ja tatsächlich kippen würde.

Wissings Aussagen bergen Sprengstoff auch für die Ampel-Koalition in Berlin. Ein Sprecher von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte, Deutschland habe dem Verhandlungsergebnis mit dem Parlament bereits im November auf Botschafterebene zugestimmt. «Diese Zustimmung war mit den anderen Ressorts abgestimmt.» Der Text, der nun bestätigt werden solle, sei unverändert. «Deutschland steht hier auch in europäischer Verantwortung.»

Die FDP macht das Fass dennoch wieder auf, will nicht nur auf die Elektromobilität setzen und pocht auf Technologieoffenheit. Konkret geht es um «E-Fuels». Das sind synthetische Kraftstoffe, die mit Hilfe von Strom aus Wasserstoff und anderen Gasen hergestellt werden.

E-Fuels waren schon Knackpunkt, als die EU-Staaten im Juni 2022 um ihre Position zu dem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission rangen. Auch damals stand eine Enthaltung Berlins bei der Abstimmung der EU-Länder im Raum, weil die Ampel uneins war. Nach öffentlich ausgetragener Streiterei signalisierte Berlin letztlich Zustimmung – allerdings unter einer bestimmten Bedingung: der Zusage der EU-Kommission, einen Vorschlag vorzulegen, wie nach 2035 nur mit klimafreundlichen Kraftstoffen wie E-Fuels betankte Fahrzeuge zugelassen werden können.

Genau daran hakt es nun jedoch. Der zuständige Kommissionsvize Frans Timmermans machte unlängst in der «Bild am Sonntag» deutlich, wie verhalten sein Appetit auf E-Fuels ist. Auf die Frage, was gegen Verbrenner spreche, die E-Fuels nutzten, und ob er Angst vor Innovation und Wettbewerb habe, sagte er: «Nein, ich habe keine Angst, aber wir dürfen unsere Autoindustrie nicht zwingen, gleichzeitig verschiedene Technologien zu entwickeln.» Die EU müsse sagen, wo es langgeht. «USA und China machen auch keine E-Fuels – die sind doch nicht blöd.»

Wann kommt nun also der Vorschlag der EU-Kommission zu synthetischen Kraftstoffen? Ein Sprecher der Behörde verwies am Dienstag lediglich auf Timmermans Äußerungen vom Juni 2022. Der hatte damals betont, dass das Recht für Gesetzesinitiativen bei der EU-Kommission liege.

Umweltverbände kritisierten Wissing. Der ökologische Verkehrsclub VCD sprach von einer rückwärtsgewandten Ideologie. Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert sagte, es sei absurd, dass Wissing die EU zur Anerkennung von E-Fuel-Neuwagen als emissionsfrei nötigen wolle. Diese Autos brauchten ein Mehrfaches der Energie eines reinen Elektroantriebs. «Minister Wissing reitet ein totes Pferd.» BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg sagte, der Einsatz strombasierter Kraftstoffe im Pkw sei im Verhältnis zur direkten Stromnutzung teuer und ineffizient, würde aber durch die kommende EU-Regelung in ihrer aktuellen Form nicht verhindert.

Greenpeace: «E-Fuels sind Stromverschwender»

Greenpeace wirft Wissing vor, den Ruf der Bundesregierung in der EU zu riskieren. «Was EU-Kommission und -Parlament beschlossen und selbst die Autohersteller längst akzeptiert haben, will Verkehrsminister Wissing nicht wahrhaben: E-Fuels sind Stromverschwender», sagte Verkehrsexperte Benjamin Stephan. Wenn Wissing die Zukunftsfähigkeit der Branche und die Klimaziele im Verkehr sicherstellen wolle, sollte er sich für einen konsequenten Umbau der Autoindustrie aussprechen.

Zumindest einigte sich die Ampel-Koalition auf gesetzliche Änderungen zu E-Fuels für Deutschland. Diese sollen künftig frei und in Reinform an allen Tankstellen verkauft und getankt werden dürfen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach von einem Durchbruch in Sachen Klimaschutz. «Künftig wird es in Deutschland also möglich sein, dass normale Verbrenner-Autos mit klimaneutralen Kraftstoffen betankt werden können. Bislang war das rechtlich nicht möglich.»

Doch auch hier unterscheidet sich die Lesart von FDP und Grünen. So gab sich Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge weit zurückhaltender. Bisher sei der Einsatz von E-Fuels beziehungsweise sogenannten paraffinischen Kraftstoffen bis zur Beimischungsgrenze von etwa 26 Prozent möglich: «Nun haben wir uns auf eine technische Anpassungen verständigt, die das Inverkehrbringen in Reinform zulässt.»

Von Andreas Hoenig und Michel Winde, dpa

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