Der ukrainische Autor Serhij Zhadan erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Dominic Steinmann/Keystone/dpa)

Der diesjährige Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht mit dem Ukrainer Serhij Zhadan an einen Künstler, der im Krieg lebt – und sich auch in seinem Werk auf vielfältige Weise damit beschäftigt.

«Wir ehren den ukrainischen Schriftsteller und Musiker für sein herausragendes künstlerisches Werk sowie für seine humanitäre Haltung, mit der er sich den Menschen im Krieg zuwendet und ihnen unter Einsatz seines Lebens hilft», teilte der Stiftungsrat am Montag in Frankfurt am Main zur Begründung mit.

Er schreibt auch Texte für Rocksongs

Zhadan gehört zu den bekanntesten Vertretern der Gegenwartsliteratur in der Ukraine. Der Geehrte sieht den Preis auch als Zeichen der Solidarität mit seinem Land, gegen das Russland seit Februar einen Angriffskrieg führt. Er bedanke sich für die Auszeichnung, schrieb der 47-Jährige am Montag bei Facebook. «Es ist sehr wichtig, dass die Ukraine im deutschen Informationsraum präsent ist.»

Bereits vor dem Ukrainekrieg war Zhadan auch in Deutschland ein bekannter Schriftsteller. Er schreibt Romane, Gedichte und Essays, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, aber auch Songtexte für Rockbands und ist selbst Sänger einer Band. Zudem engagiert er sich bereits seit mehreren Jahren mit sozialen und kulturellen Projekten in der Ostukraine, woher er stammt. Sein literarisches Werk erscheint auf Deutsch im Suhrkamp Verlag.

Ein ganz eigener Erzählton prägt Zhadans Werke, der lyrische Beschreibungen mit einer rasanten Sprache kombiniert. Oft ist die Musik als Einfluss präsent. In seinem Roman «Die Erfindung des Jazz im Donbass» (2012) etwa heißt es an einer Stelle über den Musiker Charlie Parker: «Sein Saxophon explodierte wie eine Chemiewaffe, die das feindliche Heer vernichtet. Parker atmete durch sein Mundstück und stieß eine goldene Flamme gerechten Zorns aus, seine schwarzen Finger stießen in die offenen Wunden der Luft (…).»

Zhadan lebt und arbeitet in Charkiw

Schon damals mischte sich eine Kriegsthematik in sein Schreiben. Inzwischen betrifft sie sein alltägliches Leben. Zhadans «intensives soziales und kulturelles Engagement» habe sich nach der russischen Invasion noch verstärkt, würdigt der Stiftungsrat den Künstler. «Weiterhin in Charkiw lebend, organisiert er Konzerte, rettet Menschen aus umkämpften Vierteln, liest Gedichte und verteilt Hilfsgüter in der Stadt.»

Die politischen und sozialen Entwicklungen seiner Heimat spiegeln sich in Zhadans Werk wider: Anfangs befasste sich der Schriftsteller insbesondere mit der Umbruchzeit nach dem Zerfall der Sowjetunion, in jüngeren Texten mit der Konflikt- und Kriegsregion Donbass. Nach dem Angriff Russlands meldete sich der Autor auch in deutschen Medien zu Wort und berichtete über die Lage vor Ort.

Zhadan wurde am 23. August 1974 in Starobilsk geboren, das im aktuell umkämpften Gebiet Luhansk liegt. In Charkiw studierte er Literaturwissenschaft, Ukrainistik sowie Germanistik und schrieb seine Doktorarbeit zum ukrainischen Futurismus. Zhadan lehrte zunächst als Uni-Dozent und begann dann, als freischaffender Schriftsteller zu arbeiten. Seit Anfang der 1990er Jahre prägt der Autor die Kulturszene Charkiws, der zweitgrößten Stadt der Ukraine.

2007 wurde sein Romandebüt «Depeche Mode» veröffentlicht. Zhadans zuletzt erschienener Roman trägt den Titel «Internat» (2017/2018). Der Autor schreibt auf Ukrainisch, übersetzt aber auch Lyrik aus dem Deutschen, Englischen, Belarussischen und Russischen ins Ukrainische.

Großes humanitäres Engagement

Die Umwälzungen in seinem Land bekommt er hautnah mit: Er engagierte sich in Charkiw in den proeuropäischen Protesten 2004 sowie 2013/2014, wird dabei sogar verletzt. Nach der russischen Annexion der Krim 2014 sagte Zhadan: «Wir hoffen, dass Russland nicht angreift, aber die Leute haben Panik, weil sie nicht wissen, was morgen sein wird.»

Rund acht Jahre später ist klar, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllt hat. Derzeit arbeite er nicht literarisch, wird Zhadan Mitte Juni in einem Bericht des ARD-Studios Moskau zitiert. Seit Kriegsbeginn sei das so, «denn wir arbeiten alle als Freiwillige». Seit dem Angriff «haben meine Freunde und ich Dutzende Konzerte gegeben». In der U-Bahn, in Krankenhäusern, für das Militär, aber auch das sei eher Freiwilligenarbeit.

Die Verleihung des Friedenspreises ist zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am 23. Oktober geplant. Für ihn sei es wichtig, dass die Ukraine dadurch Gegenstand der Diskussion bleiben werde, erklärte Zhadan am Montag. «Wir fordern Waffen, doch verlangen wir auch die informationelle Unterstützung.» Jede Unterstützung der ukrainischen Kultur würde zum ukrainischen Sieg gegen Russland beitragen. Sein Land müsse gewinnen, um die eigene Zukunft zu verteidigen.

Von Carolin Eckenfels, dpa

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