Es ist eine Schreckensnachricht für viele Innenstädte: Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof schließt 52 seiner noch verbliebenen 129 Warenhäuser. Tausende Beschäftigte werden dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren und zahlreiche Innenstädte einen wichtigen Anziehungspunkt in ihren Einkaufsstraßen.
«Das ist zweifellos heute für uns alle ein schwerer Tag», sagte der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz bei der Veröffentlichung der Schließungsliste. Das Unternehmen habe in den vergangenen Wochen intensiv um jeden einzelnen Standort gerungen. Insgesamt 52 Warenhäuser könnten aber angesichts der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der lokalen Gegebenheiten nicht fortgeführt werden.
Welche Filialen sind betroffen?
Zum 30. Juni 2023 sollen folgende 21 Standorte geschlossen werden(in alphabetischer Reihenfolge):
Celle, Coburg, Cottbus, Duisburg Düsseldorfer Straße, Erlangen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamburg-Harburg, Hamburg-Wandsbek, Leipzig Neumarkt, Leverkusen, München-Bahnhof, Neuss, Nürnberg Königstraße, Nürnberg-Langwasser, Offenbach, Paderborn, Regensburg Neupfarrplatz, Saarbrücken am Bahnhof, Siegen, Wiesbaden Kirchgasse.
Zum 31. Januar 2024 ist dann die Schließung dieser 31 Filialen geplant:
Bayreuth, Berlin-Charlottenburg, Berlin-Müllerstraße, Bielefeld, Braunschweig, Bremen, Darmstadt am weißen Turm, Dortmund, Düsseldorf Schadowstraße, Essen, Esslingen, Frankfurt Zeil, Hanau, Heidelberg Bismarckplatz, Hildesheim, Kempten, Krefeld, Leonberg, Limburg, Lübeck, Mönchengladbach, Oldenburg, Pforzheim, Reutlingen, Rosenheim, Rostock, Schweinfurt, Siegburg, Stuttgart-Eberhard-Straße, Viernheim-RNZ, Wuppertal.
Mehr als 5000 Arbeitsplätze betroffen
Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats werden im Zuge des Insolvenzverfahrens «weit über 5000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren». Es würden nicht nur Stellen in den Schließungsfilialen wegfallen. Geplant seien auch Flächenreduzierungen und ein Personalabbau in den verbleibenden Häusern und in den Zentralfunktionen.
Das Unternehmen selbst sprach von mehr als 4000 Betroffenen. Sie sollen das Angebot erhalten, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, um sich für eine neue Stelle weiter zu qualifizieren.
«Dies ist ein rabenschwarzer Tag», erklärte der Gesamtbetriebsrat. Dass es soweit gekommen sei, liege nicht nur an der Corona-Pandemie und den Folgen des Unkraine-Krieges, sondern auch an hausgemachten Fehlern. Das Management stehe jetzt in der Verantwortung, der verbleibenden Belegschaft eine längerfristige berufliche Zukunft zu garantieren.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzt darauf, dass möglichst viele Mitarbeiter eine neue Beschäftigung finden. Es gebe die Möglichkeit, eine Transfergesellschaft einzurichten, um die Menschen bei einer beruflichen Neuorientierung zu unterstützen, sagte Heil in der ARD-Sendung «Hart aber fair». «Ich hätte mir gewünscht, dass man betriebsbedingte Kündigungen vermeiden kann. Wenn das nicht der Fall ist, ist das das richtige Instrument.»
Verbliebene Filialen sollen modernisiert werden
Nach den Plänen des Warenhauskonzerns sollen die verbleibenden 77 Filialen in den kommenden drei Jahren allesamt umfassend modernisiert werden. In Zukunft will sich der Konzern bei seinem Angebot vor allem auf die Bereiche Bekleidung, Schönheitspflege und Wohn-Accessoires konzentrieren. Bei der Gestaltung ihres Sortiments sollen die Filialen außerdem mehr Eigenständigkeit erhalten. Mit Blick auf das geplante Maßnahmenpaket sagte Galeria-Chef Miguel Müllenbach: «Das Warenhaus in Deutschland hat damit eine Zukunft.» Allerdings muss vor dem Neustart noch die Gläubigerversammlung am 27. März in Essen grünes Licht dafür geben. Lehnt sie den Insolvenzplan ab, droht dem Unternehmen das sofortige Aus.
Galeria hatte Ende Oktober zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren Rettung in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren suchen müssen. Als Grund für die bedrohliche Lage des Unternehmens nannte Konzernchef Miguel Müllenbach damals die explodierenden Energiepreise und die Konsumflaute in Deutschland.
Zweiter Rettungsversuch
Es ist bereits der zweite Versuch, den Handelsriesen durch ein Schutzschirmverfahren und den damit verbundenen Schuldenschnitt wieder dauerhaft auf Erfolgskurs zu bringen. Ein erster Anlauf, der 2020 während des ersten Corona-Lockdowns gestartet worden war, hatte dem Unternehmen trotz der Schließung von rund 40 Filialen, dem Abbau von etwa 4000 Stellen und der Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro an Schulden nur vorübergehende Entlastung gebracht.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, betonte in vielen von Warenhausschließungen betroffenen Städten werde die aktuelle Entwicklung auch als städtebauliche Chance verstanden. «Es gibt schon Ideen oder Pläne, wie neues Leben in die Kaufhäuser einziehen kann: als Universitätsstandort oder Schule, mit Start-ups, Co-Working-Labs, Künstler-Ateliers oder mit dem Bürgerservice, als Mehr-Generationenhaus oder Wohngebäude.» Ehemalige Kaufhausstandorte, die bereits umgenutzt worden seien, böten dafür gute Beispiele.
Auch der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung, Boris Hedde, sagte: «Das Warenhaus hat nicht mehr die große Bedeutung für die Innenstädte wie früher. Man muss ihm nicht nachweinen, sondern neue Konzepte für den Handel in der Innenstadt finden.» Der Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms blickt eher skeptisch auf die geplanten Maßnahmen: «Es ist die Frage, ob der Einschnitt diesmal wirklich tief genug geht. Ich hätte es eher für sinnvoll gehalten, dass weniger Warenhäuser fortgeführt werden, damit auch wirklich genug Geld und Managementkapazität für die notwendige Modernisierung der verbleibenden Häuser vorhanden ist.»
Die Gewerkschaft Verdi kündigte an, sie wolle nun die vorgelegte Schließungsliste genau prüfen, um nach Möglichkeiten zu suchen, um einige der Filialen doch noch zu erhalten.