Die Ostseepipeline Nord Stream 2 ist fertig. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa)

Mit mehr als anderthalbjähriger Verzögerung hat Russland die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 nach Deutschland fertiggebaut.

Gazprom-Chef Alexej Miller verkündete am Freitag auf der Morgensitzung des Monopolisten, dass um 8.45 Uhr Moskauer Zeit (7.45 Uhr MESZ) der Bau komplett abgeschlossen sei, wie das Unternehmen mitteilte. Am 6. September sei das letzte Rohr verlegt worden. Danach hätten noch einzelne Abschnitte der Leitung miteinander verbunden werden müssen; nun sei alles erledigt, hieß es.

Schon zuvor hatte Miller, ein enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin, mitgeteilt, dass noch in diesem Jahr das Gas durch die neue Leitung strömen solle – rechtzeitig zur Heizperiode, damit es alle in Europa schön warm hätten. Schon im Oktober könnte das erste Gas durch den ersten der beiden Stränge von Nord Stream 2 fließen.

Auf die Frage, ob dies nun ein großer Triumph für Putin sei – nach dem erbitterten Widerstand der USA, der Ukraine und anderer Staaten gegen die Pipeline – sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow: «Wenn Nord Stream 2 in Betrieb geht, dann sind die Energielieferanten ebenso die Gewinner wie die Verbraucher. Also alle.»

Für die Inbetriebnahme ist noch eine Zertifizierung durch die deutschen Behörden notwendig. Wann die Starterlaubnis vorliegt, ist nicht klar. «Wir sind alle interessiert daran, dass das möglichst schnell passiert», sagte Peskow. Der erste Strang war bereits Anfang Juni fertig verlegt worden.

Moskau sieht die Fertigstellung der Leitung als gute Nachricht vor den Parlamentswahlen in Russland am 19. September und eine Woche später in Deutschland. Auch die Bundesregierung hielt trotz aller Kritik stets fest an dem Projekt, das Investoren mehr als zehn Milliarden Euro gekostet hat. Allerdings ist in Moskau mit Blick auf die nächste Bundesregierung auch die Sorge groß, dass es für die etwa von den Grünen abgelehnte Leitung neue Probleme geben könnte.

Vor allem der Widerstand der USA, die Sanktionen androhten und auch verhängten, verzögerte den Bau, der Ende 2019 hatte beendet werden sollen. Die Bauarbeiten für Nord Stream 2 hatten 2018 begonnen. Die Leitung soll 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr von Russland durch die Ostsee nach Deutschland liefern. Damit können nach Angaben der Betreibergesellschaft 26 Millionen Haushalte versorgt werden.

Die US-Regierung kritisiert, Europa mache sich bei der Energieversorgung zu stark von Russland abhängig. Eine deutsch-amerikanische Vereinbarung sieht vor, dass Russland mit Sanktionen belegt wird, sollte die Pipeline als geopolitische «Waffe» genutzt werden. Moskau wies das zurück.

Die Grünen kritisieren die klimaschädliche Bilanz des Gases. «Es stehen noch aufwendige Genehmigungs- und Zertifizierungsprozesse auf der Tagesordnung, so dass die Inbetriebnahme noch dauern dürfte», sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Auch aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) darf die Leitung nicht in Betrieb gehen. «Nord Stream 2 ist und bleibt ein Megaprojekt, das die Abhängigkeit von fossilem Erdgas auf Jahrzehnte zementieren würde», sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner in Berlin.

Dagegen meinte der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Bundestag, Klaus Ernst (Linke), es gebe Vorteile für das Klima. «Denn die Alternative zu Nord Stream 2 hieße für Europa, mehr US-amerikanisches Fracking-Gas zu importieren. Das wird aber bedeutend umweltschädlicher produziert und ist auch noch teurer.» Das ist auch die Position des Kreml, der zudem darauf hingewiesen hatte, dass der bisherige Transit des Gases durch die Ukraine stärker der Umwelt schade als die neue Leitung. Demnach verursachen vor allem die alten Kompressoren des maroden Netzes umweltschädliche Emissionen.

Russland hatte Nord Stream 1 und nun auch Nord Stream 2 gebaut, um unabhängiger zu werden von dem lange Zeit wichtigsten Transitland Ukraine. Die beiden Länder sind zerstritten. Zudem kritisiert Moskau, Kiew tue nichts, um sein Transitnetz zu sanieren. Die finanzschwache Ukraine wiederum ist dringend auf die Milliardeneinnahmen aus den Gebühren für die Gasdurchleitung angewiesen.

Die Ex-Sowjetrepublik hofft auf Deutschlands Unterstützung, um auch künftig noch eine Rolle zu spielen als Transitland. Merkel hatte bei einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorgeschlagen, das Netz für den Transport von Wasserstoff zu nutzen. Dafür soll es auch deutsches Geld geben. Selenskyj aber meinte, dass sei Zukunftsmusik und helfe ihm eigentlich gar nicht in der Lage.

Der aktuelle Vertrag über die Durchleitung russischen Gases läuft 2024 aus. Die Ukraine will ihn unter deutscher Vermittlung verlängern. Allerdings hatte Putin zuletzt auch bei einem Treffen mit Merkel in Moskau erklärt, dass der künftige Gastransit über die Ukraine abhängig sei von der Nachfrage auf Europas Energiemarkt.

Die 1230 Kilometer lange Pipeline, die zwei Stränge hat, wurde je zur Hälfte vom russischen Energieriesen Gazprom und den fünf Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. Noch in diesem Jahr will Gazprom 5,6 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Leitung pumpen. Nord Stream 2 verläuft von Wyborg in Russland durch die Ostsee bis nach Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern.

Gazprom zufolge wurden in den ersten sieben Monaten dieses Jahres bereits 33,7 Milliarden Kubikmeter Gas durch die bestehende Leitung Nord Stream 1 gepumpt. Das sei mehr als im Vorjahreszeitraum. 2020 war demnach mit insgesamt 59,3 Milliarden Kubikmeter ein Rekordjahr.

Von Ulf Mauder und Thomas Kaufner, dpa

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