Mohammed Rassulof stellt mit seiner Tochter Baran Rassulof seinen Film «The Seed of the Sacred Fig» in Cannes vor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Scott A Garfitt/Invision/AP/dpa)

Vor wenigen Tagen ist er heimlich aus seinem Heimatland geflohen, nun wurde er in Cannes bejubelt: Der iranische Regisseur Mohammed Rassulof hat sein neues Werk «The Seed of the Sacred Fig» bei den Filmfestspielen präsentiert.

Der Film erzählt von den Auswirkungen der politischen Proteste im Iran auf eine Familie. Bei Rassulofs Ankunft im Kinosaal und nach dem Film wurden der Regisseur und das restliche Filmteam am Freitagabend minutenlang bei stehenden Ovationen bejubelt.

Nicht alle Beteiligten konnten zur Premiere kommen

Der Filmemacher war in Begleitung seiner Tochter Baran. Er hielt auf dem roten Teppich und auch im Kinosaal immer wieder zwei Fotos hoch: Darauf abgebildet waren die Schauspielerin Soheila Golestani und der Schauspieler Missagh Sareh, die wichtige Rollen im Film spielen, aber nicht zur Premiere reisen konnten.

Rassulof ist kürzlich im Iran zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden und hat das Land daraufhin vor wenigen Tagen unerlaubt verlassen. Die französische Zeitung «Le Monde» schreibt unter Berufung auf ein Interview mit Rassulof, dass dieser nach Deutschland geflüchtet sei. Dort studiere seine Tochter Medizin.

Er sei gerade mitten in den Undercover-Dreharbeiten zu «The Seed of the Sacred Fig» gewesen, als er von dem Urteil erfahren habe, sagte Rassulof dem Magazin «Screen International». Er sei in Berufung gegangen und habe in dieser Zeit den Film fertigstellen können. Nach Ende der Dreharbeiten habe das Berufungsgericht die Strafe bestätigt.

Zwei Stunden bis zur Verhaftung

«Da wusste ich, dass ich nur sehr wenig Zeit haben würde, bevor sie tatsächlich kommen und mich verhaften würden», sagte Rassulof. «Ich hatte also zwei Stunden Zeit, um zu entscheiden, ob ich bleiben und möglicherweise ins Gefängnis gehen oder fliehen würde, und das habe ich getan. In diesen zwei Stunden beschloss ich, alle meine elektronischen Geräte zu Hause zu lassen und mich an einen sicheren Ort bringen zu lassen, bevor ich die Grenze überquerte und das Land verließ.»

Rassulof, der 2020 den Goldenen Bären der Berlinale für seinen Film «Es gibt kein Böses» erhalten hatte, gilt im Land als äußerst kritischer Filmemacher und wurde bereits in der Vergangenheit inhaftiert. Vor gut einem Jahr war er erneut mit einem Ausreiseverbot belegt worden.

Film über die Proteste im Iran nach dem Tod von Mahsa Amini

«The Seed of the Sacred Fig» erzählt von den Protesten im Iran nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022. Die Lage im Land wird anhand der Spannungen in einer Familie erzählt. Auf der einen Seite stehen der streng gläubige Vater namens Iman (Sareh), der seit Kurzem als Ermittler beim Islamischen Revolutionsgericht arbeitet, und seine Frau Najmeh (Golestani). Auf der anderen Seite sind ihre beiden Töchter im Teenager-Alter, die mit den Protesten sympathisieren.

Nach seiner Beförderung wird Iman genötigt, in seinen Berichten Todesurteile zu empfehlen, bevor er einzelne Fälle überhaupt untersucht hat. Er hat Bedenken, wird zunehmend paranoider und hat Angst, seinen Job wieder zu verlieren. Er bekommt eine Waffe, die er zu Hause lagert – bis sie eines Tages verschwunden ist. Iman verdächtigt seine Töchter, die Pistole gestohlen zu haben, und die Lage schaukelt sich immer mehr hoch.

Szenenapplaus für spannungsgeladenen Film

«The Seed of the Sacred Fig» ist nicht nur ein politisch äußerst relevanter, sondern auch ein spannungsgeladener Film mit vielschichtigen Charakteren. Er war Schätzungen nach der Wettbewerbsfilm, der den längsten Applaus bekam. Außergewöhnlich war zudem, dass es während des Films in mehreren Momenten Szenenapplaus gab – immer dann, wenn seine Töchter sich gegen Iman zur Wehr setzen.

Amini war 2022 von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil ihr Kopftuch leicht verrutscht war. Kurz darauf starb sie in Polizeigewahrsam. Die 22-Jährige wurde nach ihrem Tod zur Ikone einer landesweiten Bewegung – deren Slogan «Frau, Leben, Freiheit» hatte am Freitagabend auch eine Besucherin im Kinosaal auf einen Zettel geschrieben. Als ihr Bild eingeblendet wurde, jubelte das Publikum.

Nach über 12 Minuten tosenden Applauses bekam Rassulof ein Mikrofon in die Hand und bedankte sich beim Publikum. «Ich bin sehr glücklich, hier zu sein», sagte er – und erinnerte gleichzeitig an diejenigen, die den Iran für die Premiere nicht verlassen konnten.

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