Valentin Schwarz hatte alle gewarnt:
Einen «Pilotfim» nannte der Regisseur sein «Rheingold», den ersten Teil des neuen Bayreuther «Ring des Nibelungen», «der viele Fragen aufwirft, vieles anteasert und gespannt macht auf das, was da noch kommt – auch wenn man vielleicht noch nicht alles sofort einordnen kann». Im dritten «Ring»-Teil nun, dem «Siegfried», zeigt er, was er damit meint.
Sein buntes Konzept beginnt – nach einem holprigeren Start mit «Rheingold» und «Walküre» – langsam, aber sicher, aufzugehen. Fragen, die sich in den ersten beiden Teilen noch stellten, werden nach und nach beantwortet und Licht fällt in das komplizierte Beziehungsgeflecht, das der junge Österreicher in seiner Familiensaga auf die Bühne bringt. Goutiert wird das bei der «Siegfried»-Premiere am Mittwochabend vom Bayreuther Publikum aber kaum. Wütende Buhs werden laut, als der Vorhang am Ende des dritten Aktes fällt – und die gelten nicht dem musikalischen Part der Produktion.
Jubel für Sänger und Dirigent
Neben dem stimmgewaltigen, lauten «Siegfried»-Sänger Andreas Schager, der frenetisch gefeiert wird, gibt es auch viel Jubel für Daniela Köhler und ihre warme, facettenreiche, wenn auch nicht ganz so kraftvolle Brünnhilde und Dirigent Cornelius Meister. Auch Wotan-«Wanderer» Tomasz Konieczny, der sich bei der «Walküre» noch so verletzt hatte, dass er im dritten Akt ersetzt werden musste, kommt gut an beim Publikum. Selbst der als Mime auffallend schwache Arnold Bezuyen wird begeistert beklatscht.
Vor diesem wohlwollenden Hintergrund ist die von vielen im Publikum zur Schau gestellte Gnadenlosigkeit mit der ideenreichen Regie noch schwerer zu verstehen. Denn Schwarz hat sich einiges einfallen lassen. So ist Drache Fafner (Wilhelm Schwinghammer), den Siegfried im zweiten Akt erlegen muss, bei Schwarz nicht etwa ein feuerspuckendes Fabelwesen, sondern das bettlägerige, greise und seine Pflegerin begrapschende Oberhaupt einer mafiösen Familie. Und dieses stirbt auch nicht durch die Hand Siegfrieds – sondern ganz profan an einem Herzinfarkt.
Eine ungleiche Freund- und Komplizenschaft
Der junge Mann, der schweigend am Krankenbett des Alten sitzt, stellt sich schließlich als das Kind heraus, das Fafner im «Rheingold» noch im Austausch gegen Göttertochter Freya entführte: den späteren Siegfried-Mörder Hagen, der bei Schwarz schon vor der «Götterdämmerung» auf der «Ring»-Bühne auftaucht. Die etwas ungleiche Freund- und Komplizenschaft, die sich zwischen den späteren Kontrahenten entwickelt, dürfte im letzten Teil noch eine entscheidende Rolle spielen.
Auch die Frage danach, wer denn das zweite Kind aus dem «Rheingold» ist, ein Mädchen, das an der Hand von Erda (Okka von der Damerau) aus Walhall flieht, wird zumindest teilweise beantwortet – allerdings weniger kunstvoll. Das inzwischen erwachsene Kind taucht – völlig verlottert – erneut mit Erda auf. Wichtige Erkenntnis: Brünnhilde ist es nicht.
Am Freitag folgt die «Götterdämmerung»
Denn die erwacht stattdessen wie aus dem Ei gepellt aus ihrem Schönheitsschlaf und wird von Siegfried von den Bandagen ihrer Schönheits-OP befreit. Das Hin und Her, in dem das Paar sich zu verlieren droht, bevor die beiden sich einander hingeben, wird noch dadurch verstärkt, dass es einen Mann gibt, der all die Jahre auf Brünnhilde gewartet hat. Doch ihre erste Liebe lässt sie ziehen – um schließlich mit Siegfried im Auto in der Nacht zu verschwinden.
Nach dem «Siegfried» fehlt nun nur noch die «Götterdämmerung», um den neuen «Ring» komplett zu machen. Die Premiere ist für diesen Freitag geplant. Dann wird sich auch das Regie-Team um Schwarz erstmals auf der Bühne zeigen. Für Donnerstag ist die Wiederaufnahme der «Lohengrin»-Inszenierung mit einem Bühnenbild von Neo Rauch geplant, die in diesem Jahr letztmals auf dem Grünen Hügel zu sehen sein wird.