«God Save the Queen!» Als Queen Elizabeth II. am Mittag den Balkon betritt, verschmilzt die Menge vor dem Buckingham-Palast in einen einzigen Jubelchor in Rot-Blau-Weiß.
Unzählige Hände recken sich der 96-Jährigen entgegen, jemand stimmt ein spontanes «Happy Birthday» an. Lächelnd und sichtlich gerührt nimmt die Königin im zartblauen Kleid die Huldigungen entgegen. Fast zerbrechlich wirkt sie im Kontrast zum Pomp des britischen Militärs vor bombastischer Kulisse und den dröhnenden Militärjets, die ihr zu Ehren über ihr Stadtschloss fliegen und dabei eine 70 formen – für 70 Jahre auf dem Thron.
«Das ist etwas, das man nur einmal im Leben erlebt»
Mit der traditionellen Militärparade «Trooping the Colour» hat das viertägige Spektakel zum Thronjubiläum der Queen am Donnerstag offiziell begonnen. Zehntausende versammelten sich im Stadtzentrum, um einen Blick auf die Royals zu erhaschen. Mehrere Tausend Veteranen und aktive Soldatinnen und Soldaten waren mit ihren Familien auf Ränge vor dem Palast eingeladen – mit einem Premium-Blick auf den berühmten Balkon. Marian Meldrum – selbst Veteranin der Royal Air Force – musste ihre Enkelin Scarlett erst überzeugen, mitzukommen. Doch diese hat ihre Meinung mittlerweile geändert. «Das ist etwas, das man nur einmal im Leben erlebt», meint die Jugendliche, nachdem die Royals den Balkon verlassen haben.
Harry und Herzogin Meghan nicht auf dem Balkon
An der Seite der Queen standen dort ihre engsten Familienangehörigen, etwa Sohn und Thronfolger Prinz Charles sowie Enkel Prinz William, auch er ein künftiger König, samt Familien. Charles und William hatten mit Queen-Tochter Prinzessin Anne – alle in Galauniform – die Königin zuvor bei der Parade vertreten. Prinz Harry und Herzogin Meghan, die zur Party des Jahrzehnts aus den USA eingeflogen sind, durften nicht mit auf den Buckingham-Balkon – Zutritt nur für «Working Royals», lautete dort die Regel, weshalb auch der zweitälteste Queen-Sohn Prinz Andrew außen vor blieb. Er hat sich wegen seiner Verwicklung in einen Skandal um sexuellen Missbrauch weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Wegen einer Corona-Erkrankung wird er anders als zeitweise geplant auch bei einem Dankgottesdienst in der Londoner Kathedrale St. Paul’s am Freitag nicht dabei sein.
Der heimliche Star des Balkons war ohnehin Prinz Louis (4), jüngster Sohn von William und Herzogin Kate, der Grimassen zog und sich beim lautstarken «Flypast» der Royal Air Force die Ohren zuhielt. Lächelnd neigte sich die Königin zu ihrem Urenkel herunter und plauderte mit ihm. In einem Matrosenanzug erinnerte Louis an den Auftritt seines Vaters William bei der Militärparade 1985. Sein älterer Bruder Prinz Georg (8) trug hingegen einen Anzug und Krawatte, Schwester Charlotte (7) ein Kleid. Durch die Ränge vor dem Palast ging ein entzücktes Raunen, als die Kinder vorher gemeinsam mit Mutter Kate und Queen-Schwiegertochter Herzogin Camilla, der Ehefrau von Charles, in einer offenen Kutsche den kurzen Weg zum Exerzierplatz Horse Guards Parade zurücklegten.
«Das ist so eine Ehre»
Für den Royal-Navy-Veteran Alfred Conway, mit 96 Jahren genauso alt wie die Queen, ist der Auftritt der Monarchin jedoch nicht zu toppen. «Das ist so eine Ehre», schwärmt der Veteran nach der Parade, bei der er fast in der ersten Reihe sitzen durfte. Obwohl Conway lange Seite an Seite mit Prinz Philip diente, hat er dessen Frau zuvor noch nie aus der Nähe erleben dürfen. «Er wäre sicher gerne hier gewesen», sagte der Weltkriegsveteran mit Blick auf den im vergangenen Jahr gestorbenen Herzog von Edinburgh.
An den kommenden Tagen steht die Queen landesweit im Mittelpunkt – auch wenn sie wegen Mobilitätsproblemen nicht überall dabei sein kann. Elizabeth ist seit dem Tod ihres Vaters König Georg VI. am 6. Februar 1952 britische Königin. Gekrönt wurde sie am 2. Juni 1953. Landesweit wollen Millionen Menschen bei Straßenfesten ihre Königin feiern. Am Donnerstagabend erstrahlten landesweit und in anderen Commonwealth-Staaten Leuchtfeuer den dunklen Himmel. Den symbolischen Start machte die Königin auf ihrer Residenz Schloss Windsor. Zeitgleich war ihr Enkel William am Buckingham-Palast dabei, als ein Lichterbaum zu den Klängen eines Gospelchors erstrahlte. Feuer sollten auch auf den höchsten Gipfeln aller vier Landesteile England, Schottland, Wales und Nordirland leuchten.
Elizabeth ist seit dem Tod ihres Vaters König Georg VI. am 6. Februar 1952 britische Königin. Gekrönt wurde sie am 2. Juni 1953. Landesweit wollen Millionen Menschen bei Straßenfesten ihre Königin feiern. Am Donnerstagabend sollten landesweit Leuchtfeuer den dunklen Himmel erhellen. Den symbolischen Start sollte die Königin auf ihrer Residenz Schloss Windsor übernehmen. Zeitgleich wollte ihr Enkel William 35 Kilometer weiter östlich am Buckingham-Palast einen Lichterbaum erstrahlen lassen. Feuer sollen auch auf den höchsten Gipfeln aller vier Landesteile England, Schottland, Wales und Nordirland entzündet werden sowie an etlichen anderen Orten, auch in Ländern des Staatenbundes Commonwealth.
Vier Tage feiern
Der viertägige Festreigen soll das Land wieder zusammenschweißen. Überall wehen schon seit Tagen britische Flaggen, Vorgärten und Häuser sind geschmückt. Hartgesottene Royals-Fans campten auf der Londoner Prachtstraße Mall. Ziel: ein guter Platz für die Parade. Am Samstag steht das bekannte Pferderennen Epsom Derby auf dem Programm, am Sonntag ist in London ein «Street Pageant», eine Art Straßenkarneval, geplant. Damit die Menschen ihre Königin gebührend feiern können, gibt es einmalig einen weiteren arbeitsfreien Feiertag. Zudem dürfen Pubs deutlich länger öffnen. Party statt «Partygate»-Skandal, Budenzauber statt Brexit, Krönung statt Krieg: Die Feier der «ewigen» Monarchin wirkt auch wie ein wichtiger Moment der Selbstvergewisserung in unsicheren Zeiten.
Vor allem die Queen ist nach wie vor äußerst beliebt im Land. Wie das Meinungsforschungsinstitut Yougov ermittelte, sind 84 Prozent der Menschen in Großbritannien der Ansicht, die Königin habe in ihren 70 Jahren auf dem Thron sehr gute oder gute Arbeit geleistet. Allerdings schwindet unter jüngeren Menschen die Unterstützung für die Monarchie. Bei den 18- bis 24-Jährigen sank die Zahl der Befürworter einer Yougov-Umfrage zufolge seit 2011 von 59 Prozent auf 33 Prozent.
Ob das «Jubilee» im Hause Windsor auch für mehr Familienfrieden sorgen kann, ist eine der spannenden Fragen der kommenden Tage. Der Besuch von Harry und Meghan, die die Militärparade von der Seite verfolgten, hatte vor allem in den konservativen britischen Medien Angst vor einer «Sussex-Bombe» ausgelöst – dass das Paar, das sich jüngst von einem Netflix-Filmteam begleiten ließ, das Jubiläum mit egoistischen Auftritten überschatten könnte. Am Samstag ist Medienberichten zufolge ein privates Treffen mit Harrys Großmutter vorgesehen. Dabei könnte die Queen erstmals Urenkelin Lilibet treffen, die nach dem familieninternen Spitznamen der Monarchin heißt.